Diskriminierung "trotz vollster Gesundheit"?
Der Antragsteller ist nicht gegen COVID-19 geimpft. Er wandte sich gegen die Bestimmungen der Corona-Verordnung der baden-württembergischen Landesregierung vom 15.09.2021, wonach umfassende Testpflichten für nicht durch Impfung oder Genesung gegen eine Coronainfektion immunisierte Personen bestehen. Er wolle mit Freunden unter anderem ins Theater gehen, Stadt- und Volksfeste, Museen, Messen, Sportstätten, Bäder, Saunen und Freizeitparks besuchen sowie Leistungen von Gastronomie, Vergnügungsstätten und Beherbergungsbetrieben in Anspruch nehmen. Der Antragsteller macht geltend, er werde durch die angefochtenen Regelungen, namentlich der Testpflicht und der Zutrittsverbote ab der "Alarmstufe" erheblich in seiner Möglichkeit eingeschränkt, am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben. Er werde trotz vollster Gesundheit diskriminiert und in seinen Grundrechten auf allgemeine Handlungsfreiheit, Berufsfreiheit und auf Schutz von Ehe und Familie verletzt sowie ungleich behandelt.
Kein Rechtsschutzinteresse in Bezug auf Warn- und Alarmstufe
Der VGH Mannheim lehnte den Eilantrag ab. Gegen die Vorschriften über die Warnstufe und die Alarmstufe könne sich der Antragsteller mangels Rechtsschutzinteresses nicht wenden. Die nach § 1 Abs. 2 Corona-Verordnung maßgeblichen Schwellenwerte der Sieben-Tage-Hospitalisierungs-Inzidenz und der Auslastung der Intensivbetten mit Covid-19-Patienten für die Warnstufe und die Alarmstufe seien aktuell nicht erreicht und es sei nicht erkennbar, dass sie alsbald erreicht würden. Daher fehle dem Antrag insoweit das Rechtsschutzinteresse.
Testnachweispflichten in Basisstufe voraussichtlich rechtmäßig
Die Vorschriften über Testnachweispflichten für nicht-immunisierte Personen in der Basisstufe seien aller Voraussicht nach rechtmäßig. Der VGH habe bereits zuvor entschieden, dass die Vorschrift über Testnachweispflichten für nicht-immunisierte Personen in § 5 Abs. 1 Satz 2 Corona-Verordnung vom 14.08.2021 voraussichtlich rechtmäßig, insbesondere verhältnismäßig und gleichheitsrechtlich nicht zu beanstanden sei. Auch wenn nach derzeitigem Erkenntnisstand die Impfung oder eine überstandene COVID-19-Infektion nicht in allen Fällen davor schütze, sich und andere mit dem Coronavirus zu infizieren, seien diese Risiken im Vergleich zu nicht-immunisierten Personen ganz erheblich reduziert.
Kostenpflichtigkeit der Tests führt zu keiner anderen Bewertung
Das Testerfordernis sei weiterhin verhältnismäßig. Auch die Tatsache, dass ab dem 11.10.2021 ein kostenloser Bürgertest nicht mehr in der bisherigen Form zur Verfügung stehe, rechtfertige kein anderes Ergebnis. Durch die Kostenpflichtigkeit der Tests erhalte der Grundrechtseingriff für die Betroffenen ohne Zweifel ein schwereres Gewicht. Die Kosten für die in den meisten Fällen ausreichenden Antigen-Schnelltests beliefen sich ab dem 11.10.2021 auf circa zehn bis 25 Euro je Test. Da ein solcher Antigen-Schnelltest nur für 24 Stunden Gültigkeit besitze, könnten auf die Betroffenen je nach Frequenz der Inanspruchnahme der Testmöglichkeiten nicht unerhebliche Kosten zukommen.
Viele Veranstaltungen und Einrichtungen ohne Nachweis besuchbar
In die Abwägung einzustellen sei auf der anderen Seite, dass die Testnachweispflichten in der derzeit geltenden "Basisstufe" auf Betriebe und Veranstaltungen mit spezifischer Infektionsgefahr und in geschlossenen Räumen sowie Großveranstaltungen im Außenbereich, wenn der Mindestabstand nicht zuverlässig eingehalten werden könne, begrenzt seien. Der gesamte Bereich des Einzelhandels, der öffentliche Verkehr, religiöse Veranstaltungen, Versammlungen, Freizeiteinrichtungen und Sport im Freien, sowie die Außengastronomie seien hingegen weiterhin ohne Testobliegenheiten nutzbar. Körpernahe Dienstleistungen unterlägen einer Testnachweispflicht nur, wenn sie nicht unabdingbar der Gesundheitsvorsorge dienten. Auch für sämtliche privaten Zusammenkünfte gebe es keinerlei Restriktionen.
Tests in bestimmten Fällen weiterhin kostenlos
Hinzu komme, dass die Möglichkeit bestehe, den Test vor Ort unter Aufsicht desjenigen, der das Vorliegen eines Testnachweises überprüfen müsse, durchzuführen (§ 5 Abs. 4 Nr. 1 CoronaVO, § 2 Nr. 7 SchAusnahmV). Die entsprechend ausgestellten Testnachweise könnten sodann auch für den Zutritt zu anderen Einrichtungen oder Veranstaltungen genutzt werden, wie sich auch aus der Begründung zur Corona-Verordnung ergebe. Kostenlose Testungen würden weiterhin für Personen angeboten, die aus individuellen medizinischen Gründen nicht gegen das Coronavirus geimpft werden könnten (vgl. § 4a Nr. 2 TestV).
Kostenlose Tests nicht mehr geboten
Ein darüber hinaus gehender "Anspruch" der Betroffenen auf weiterhin kostenlose Testung sei jedoch nicht geboten. Der Anspruch auf kostenlose Bürgertestung sei im Frühjahr 2021 vor dem Hintergrund der Tatsache eingeführt worden, dass die entwickelten Impfstoffe gegen das SARS-CoV-2-Virus zunächst nur sehr limitiert verfügbar gewesen seien und durch ein kostenfreies Testangebot der nicht-immunisierten Bevölkerung ermöglicht werden sollte, wieder vollständig am gesellschaftlichen Leben teilhaben zu können. Diese Situation habe sich insofern entspannt, als mittlerweile jeder Bundesbürger über zwölf Jahren, bei dem keine medizinische Kontraindikation bestehe, in der Lage gewesen sein sollte, ein kostenloses und breit verfügbares Impfangebot wahrzunehmen.