Pro­sti­tu­ti­ons­stät­ten in Baden-Würt­tem­berg dür­fen wie­der öff­nen

In Baden-Würt­tem­berg dür­fen ab Mon­tag trotz der Co­ro­na-Pan­de­mie Pro­sti­tu­ti­ons­stät­ten vor­erst wie­der be­trie­ben wer­den. Dies hat der Ver­wal­tungs­ge­richts­hof des Lan­des in Mann­heim auf einen Eil­an­trag hin ent­schie­den. Das seit No­vem­ber 2020 be­stehen­de Ver­bot sei vor dem Hin­ter­grund des ab­flau­en­den In­fek­ti­ons­ge­sche­hens in­zwi­schen un­ver­hält­nis­mä­ßig. Der Be­schluss ist un­an­fecht­bar.

Be­trei­be­rin hatte Grund­rechts­ver­let­zung gel­tend ge­macht

Der Be­trieb von Pro­sti­tu­ti­ons­stät­ten ist in Baden-Würt­tem­berg seit dem 02.11.2020 auf­grund der in­fek­ti­ons­schutz­recht­li­chen Be­stim­mun­gen in der Co­ro­na-Ver­ord­nung der Lan­des­re­gie­rung un­ter­sagt. Auch in den so­ge­nann­ten Öff­nungs­stu­fen 1 bis 3, die für zahl­rei­che Be­trie­be und Ver­an­stal­tun­gen bei einer dau­er­haf­ten Sie­ben-Tage-In­zi­denz von unter 100 und einer sin­ken­den Ten­denz der In­fek­ti­ons­zah­len wei­te­re "Lo­cke­run­gen" re­geln (§ 21 Abs. 1, 2 und 3 der Co­ro­na-Ver­ord­nung), ist eine Öff­nung der Pro­sti­tu­ti­ons­stät­ten nicht vor­ge­se­hen. Hier­ge­gen wand­te sich die Be­trei­be­rin einer Pro­sti­tu­ti­ons­stät­te aus dem Be­zirk des Re­gie­rungs­prä­si­di­ums Karls­ru­he mit einem Eil­an­trag. Sie brach­te vor, das lan­des­wei­te, pau­scha­le Be­triebs­ver­bot für Pro­sti­tu­ti­ons­stät­ten sei ein rechts­wid­ri­ger Ein­griff in ihre Grund­rech­te.

Lan­des­re­gie­rung ver­weist auf stark er­höh­tes In­fek­ti­ons­ri­si­ko in Pro­sti­tu­ti­ons­stät­ten

Die baden-würt­tem­ber­gi­sche Lan­des­re­gie­rung trat dem An­trag ent­ge­gen und mach­te gel­tend, sie habe ge­prüft, ob in den Öff­nungs­stu­fen Raum für eine Öff­nung der Pro­sti­tu­ti­ons­be­trie­be sei. Das habe sie bis­her ab­ge­lehnt, weil bei die­sen Be­trie­ben ein stark er­höh­tes In­fek­ti­ons­ri­si­ko be­stehe. Auch in an­de­ren Bun­des­län­dern dürf­ten Pro­sti­tu­ti­ons­stät­ten noch nicht öff­nen, so etwa in Bay­ern. Ge­gen­wär­tig sei eine grund­le­gen­de Über­ar­bei­tung der Co­ro­na-Ver­ord­nung spä­tes­tens zum 28.06.2021 ge­plant, in deren Rah­men eine wei­te­re Öff­nungs­stu­fe ein­ge­führt wer­den solle. Vor­be­halt­lich der wei­te­ren Ent­wick­lung des In­fek­ti­ons­ge­sche­hens soll­ten in die­ser neuen Öff­nungs­stu­fe der Ver­ord­nung ins­be­son­de­re auch Pro­sti­tu­ti­ons­stät­ten, die bei der letz­ten Öff­nungs­run­de noch nicht hät­ten be­rück­sich­tigt wer­den kön­nen, auf­ge­grif­fen wer­den.

VGH gibt Eil­an­trag gegen be­son­ders ein­griffs­in­ten­si­ves To­tal­ver­bot statt

Der VGH gab dem Eil­an­trag statt. Er setz­te § 15 Abs. 1 Nr. 17 der Co­ro­na-Ver­ord­nung (in der Fas­sung vom 03.06.2021), so­weit die Vor­schrift Pro­sti­tu­ti­ons­stät­ten, Bor­del­le und ähn­li­che Ein­rich­tun­gen be­trifft, mit Ab­lauf des 20.06.2021 vor­läu­fig außer Voll­zug. Das seit No­vem­ber 2020 be­stehen­de Ver­bot des Be­triebs von Pro­sti­tu­ti­ons­stät­ten sei in­zwi­schen un­ver­hält­nis­mä­ßig. Das In­fek­ti­ons­ge­sche­hen habe sich we­sent­lich ver­bes­sert. Zwar könn­ten auf­grund der nach wie vor be­stehen­den In­fek­ti­ons­la­ge wei­ter­hin nor­ma­ti­ve Maß­nah­men zur wei­te­ren Ein­däm­mung der Pan­de­mie er­fol­gen. Der Ein­griff in die Be­rufs­frei­heit der An­trag­stel­le­rin wiege je­doch au­ßer­or­dent­lich schwer, da es sich um ein To­tal­ver­bot han­de­le, das in aller Regel keine Aus­nah­men zu­las­se.

Vor­ga­ben zur Auf­stel­lung und Kon­trol­le von Hy­gie­ne­kon­zep­ten vor­ran­gig

An der in­zwi­schen be­stehen­den Un­ver­hält­nis­mä­ßig­keit der an­ge­foch­te­nen Vor­schrift än­de­re auch der Um­stand nichts, dass die Öff­nung von Pro­sti­tu­ti­ons­stät­ten vor dem Hin­ter­grund der dort an­ge­bo­te­nen se­xu­el­len Dienst­leis­tun­gen zu - im Ver­gleich zu an­de­ren kör­per­na­hen Dienst­leis­tungs­be­rei­chen auch ge­stei­ger­ten - In­fek­ti­ons­ge­fah­ren füh­ren könne. Diese Ge­fah­ren könn­ten Maß­nah­men des Ver­ord­nungs­ge­bers un­ter­halb der Schwel­le zu einem voll­stän­di­gen und aus­nahms­lo­sen Ver­bot recht­fer­ti­gen. Als ge­eig­ne­te, er­for­der­li­che und an­ge­mes­se­ne Maß­nah­men kämen in­so­weit bei­spiels­wei­se nor­ma­ti­ve Vor­ga­ben zur Auf­stel­lung und zur Kon­trol­le von Hy­gie­ne­kon­zep­ten in Be­tracht. Dazu könn­te auch eine nach In­fek­ti­ons­zah­len dif­fe­ren­zie­ren­de, auf einen et­wai­gen Wie­der­an­stieg der Zah­len re­agie­ren­de Re­ge­lung zäh­len. Ein un­dif­fe­ren­zier­tes und we­sent­lich ein­griffs­in­ten­si­ve­res To­tal­ver­bot sei im Ver­gleich dazu beim ak­tu­el­len Stand des Pan­de­mie­ge­sche­hens nicht mehr ver­fas­sungs­kon­form.

VGH Mannheim, Beschluss vom 16.06.2021 - 1 S 1868/21

Redaktion beck-aktuell, 17. Juni 2021.

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