Krankenschwester mit Eilantrag gegen Verkürzung des Genesenenstatus erfolglos

Der baden-württembergische Verwaltungsgerichtshof in Mannheim hat mit Beschluss vom 05.04.2022 den Eilantrag einer Krankenschwester aus dem Landkreis Göppingen gegen die Verkürzung ihres Genesenenstatus abgelehnt (Az.: 1 S 645/22). Es fehle der Frau bereits an einem Rechtsschutzbedürfnis. Der VGH stellt in diesem Zusammenhang auch klar, dass das Genesenenzertifikat kein begünstigender Verwaltungsakt sei. 

Ungeimpfte Krankenschwester begehrt Eilrechtsschutz

Die Antragstellerin ist nicht gegen SARS-CoV-2 geimpft, verfügt aber über ein vom Robert Koch-Institut (RKI) generiertes EU-Genesenenzertifikat mit einer Gültigkeitsdauer von fünf Monaten bis Mitte Mai 2022, in dem ausgeführt wird, die Antragstellerin sei von COVID-19 genesen. Gegen die Verkürzung ihres Genesenenstatus durch die COVID-19- Schutzmaßnahmen-Ausnahmenverordnung der Bundesregierung (SchAusnahmV) auf 90 Tage wandte sie sich mit einem gegen das Landratsamt Göppingen gerichteten Eilantrag an das Verwaltungsgericht Stuttgart.

Eilantrag der Krankenschwester zunächst erfolgreich

Die Krankenschwester machte geltend, bei dem Genesenenzertifikat handele es sich um einen begünstigenden Verwaltungsakt. Sie sei als ausgebildete Krankenschwester im Bereich der Wundversorgung beruflich tätig und arbeite in Bereichen, die ab dem 15.03.2022 der einrichtungsbezogenen Impfpflicht unterfielen. Mit Beschluss vom 10.03.2022 hat das Verwaltungsgericht im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig festgestellt, dass die Antragstellerin – wie im Digitalen COVID-Zertifikat der EU ausgewiesen – "bis zum xx.05.2022" als genesene Person im Sinne des § 2 SchAusnahmV gilt. Hiergegen legte das Landratsamt Beschwerde ein und hatte Erfolg.

VGH lehnt Antrag mangels Rechtsschutzbedürfnisses ab

Der VGH Mannheim hat den Beschluss des VG geändert und den Antrag der Antragstellerin auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes abgelehnt. Der Antrag sei bereits unzulässig. Denn für die von der Antragstellerin begehrte vorläufige Feststellung, dass sie bis Mitte Mai 2022 als genesene Person im Sinne des § 2 Nr. 5 SchAusnahmV in der Fassung vom 08.05.2021 gelte, fehle das Rechtsschutzbedürfnis.

Genesenenzertifikat bescheinigt lediglich Tatsachen

So wäre die beantragte Feststellung, an der die anwaltlich vertretene Antragstellerin trotz Hinweises des Gerichts festgehalten habe, bereits gegenstandslos, so der VGH. Denn § 2 Nr. 5 SchAusnahmV in der Fassung vom 08.05.2021 ist nicht mehr in Kraft. Insbesondere sei das Genesenenzertifikat der Antragstellerin kein begünstigender Verwaltungsakt, stellte der VGH klar. Denn es treffe keine verbindliche Regelung im Rechtssinne. Vielmehr beschränke das Zertifikat sich auf die Bescheinigung von Tatsachen und die Kundgabe von behördlichem Wissen. Es regele aber selbst nicht unmittelbar Rechte und Pflichten der Zertifikatsinhaber.

Antrag auch nach Anpassung an neue Rechtslage unbegründet

Der Antrag wäre zudem – auch nach Anpassung der Antragstellung an die neue Rechtslage – unbegründet, heißt es im mitgeteilten Beschluss weiter. Der Genesenennachweis sei nun in § 22a Abs. 2 IfSG in der Fassung vom 18.03.2022 geregelt. Ein Anspruch auf Feststellung, dass das Landratsamt verpflichtet ist, die Antragstellerin bis Mitte Mai 2022 als Inhaberin eines Genesenennachweises im Sinne von § 22a Abs. 2 IfSG zu behandeln, könnte der Antragstellerin allenfalls dann zustehen, wenn der Satzteil "und höchstens 90 Tage zurückliegt" in § 22a Abs. 2 Nr. 2 IfSG verfassungswidrig und deshalb nichtig wäre.

Entscheidung über Verfassungswidrigkeit obläge BVerfG

Bei dieser Frage – über die im Fall ihrer Entscheidungserheblichkeit nicht der Senat, sondern das BVerfG zu entscheiden hätte (vgl. Art. 100 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 GG) – handele es sich um eine schwierige Rechtsfrage, die im vorliegenden Eilverfahren keiner abschließenden Klärung zugänglich sei. Die Erfolgsaussichten eines solchen Eilantrags wären daher offen. Bei offenen Erfolgsaussichten käme die von der Antragstellerin begehrte einstweilige Anordnung nur in Betracht, wenn ihr ohne deren Erlass schwere und irreversible Nachteile drohen würden, so der VGH.

Schwerwiegnde Nachteile nicht glaubhaft gemacht

Die Antragstellerin habe aber nicht glaubhaft gemacht, so der VGH, dass die Verkürzung des in ihrem Fall ohnehin Mitte 2022 auslaufenden Genesenenstatus maßgeblich für die Frage sei, ob sie ihre bislang ausgeübte Tätigkeit oder den Arbeitsplatz wechsele oder sogar ihren Beruf aufgebe. Hierbei sei – wie das BVerfG in seinem Beschluss zur einrichtungsbezogenen Impfpflicht entschieden habe – insbesondere zu berücksichtigen, dass der nach dem Stand der Wissenschaft sehr geringen Wahrscheinlichkeit von gravierenden Folgen einer Impfung, welche der Antragstellerin die unveränderte Fortführung ihrer beruflichen Tätigkeit ermöglichen würde, die deutlich höhere Wahrscheinlichkeit einer Beschädigung von Leib und Leben vulnerabler Menschen (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) in den betroffenen Einrichtungen gegenüberstehe.

Redaktion beck-aktuell, 6. April 2022.