VGH Mannheim: Kein BAföG für Besuch eines privaten Gymnasiums bei zumutbarem wohnortnahem Gymnasium

Ein Schüler hat keinen Anspruch auf BAföG für den weiteren Besuch eines privaten Gymnasiums mit Internat, wenn ein wohnortnahes Gymnasium vorhanden und dessen Besuch zumutbar ist. Dabei sei die Verweisung trotz fehlender Möglichkeit zur Fortführung einer gewählten Fremdsprache an dem wohnortnahen Gymnasium zumutbar, wenn die Sprache erst in Klasse 10 und nur mit drei Wochenstunden belegt worden ist und somit bisher nicht ausbildungsprägend war, entschied das der Verwaltungsgerichtshof Mannheim mit rechtskräftigem Urteil vom 18.04.2018 (Az.: 12 S 1098/17, BeckRS 2018, 8236).

Klägerin begehrte BAföG für Privatgymnasium mit Internat

Die Klägerin besuchte seit dem 5. Schuljahr die V-Schule, eine staatliche anerkannte und genehmigte Ersatzschule in Bayern. Dort war sie in dem angegliederten Internat untergebracht. Bei der V-Schule handelt es sich um eine reine Mädchenschule für Mädchen mit und ohne Migrationshintergrund mit einem Gymnasium naturwissenschaftlicher Prägung, das in gebundener Ganztagesform (inclusive Intensivierungs- und Ergänzungsunterricht, Hausaufgabenbetreuung und Nachhilfeunterricht) unterrichtet. Im September 2015 beantragte die Klägerin Ausbildungsförderung nach dem BAföG für den Besuch der Jahrgangsstufe 11 an der V-Schule. Der beklagte baden-württembergische Landkreis lehnte den Antrag mit der Begründung ab, mit dem Gymnasium W. stehe eine entsprechende Ausbildungsstätte zur Verfügung. Widerspruch und Klage der Klägerin vor dem Verwaltungsgericht Sigmaringen blieben erfolglos. Anschließend ging die Klägerin in Berufung. 

VGH: Kein BAföG-Anspruch - Zumutbares wohnortnahes Gymnasium gegeben

Der VGH hat die Berufung zurückgewiesen. Die Gewährung von Ausbildungsförderung setze in § 2 Abs. 1a Satz 1 Nr. 1 BAföG unter anderem voraus, dass von der Wohnung der Eltern aus keine entsprechende zumutbare Ausbildungsstätte erreichbar sei. Hier sei aber von der elterlichen Wohnung in W. aus eine solche Ausbildungsstätte erreichbar. Das allgemeinbildende Gymnasium W. sei eine zumutbare Ausbildungsstätte, weil es die Möglichkeit biete, ein naturwissenschaftliches Profil zu wählen. Damit entspreche es der V-Schule, die hinsichtlich des Ausbildungsganges im Ausbildungsstättenverzeichnis als naturwissenschaftlich-technisches Gymnasium gelistet sei. Es sei weder vorgetragen noch ersichtlich, dass die Klägerin an dieser Schule trotz Bewerbung keinen Platz für das streitgegenständliche Schuljahr 2015/16 erhalten hätte.

Fehlende spezielle Betreuung für Migranten an wohnortnahem Gymnasium begründet hier jedenfalls keine Unzumutbarkeit

Der VGH lässt dabei offen, ob der teilweise vertretenen Ansicht in der Rechtsprechung zu folgen sei, dass es an der Zumutbarkeit der Ausbildungsstätte fehle, wenn die wohnortnahe Schule zwar den gleichen Schulabschluss vermittele wie die gewählte Ausbildungsstätte, anders als diese aber eine spezielle Betreuung für Migranten (zum Beispiel Sprachförderung; spezielle, migrationstypische Defizite ausgleichende Hausaufgabenbetreuung) nicht anbiete. Denn bei der Klägerin könne bezogen auf den September 2015 kein besonderer migrationstypischer Förderbedarf festgestellt werden. Hinzu komme, dass die gewählte V-Schule keine spezielle Ausrichtung am Förderbedarf von Schülern mit Migrationshintergrund erkennen lasse. Bei den Leistungen, die dort am Nachmittag über den regulären Unterricht hinaus erbracht würden, handele es sich um Angebote der angegliederten Internatsbetreuung, die grundsätzlich ausbildungsrechtlich unbeachtlich seien. Aus diesem Grund handele es sich bei den Intensivierungsstunden, der Hausaufgabenbetreuung und der Nachhilfe im Rahmen einer Ganztagesbetreuung auch nicht um ein spezifisches Unterrichtsangebot, welches dieser Schule insgesamt eine besondere Prägung gäbe.

Wechsel zwei Jahre vor dem Abitur hier zumutbar

Laut VGH ist die Verweisung der Klägerin auf das Gymnasium W. für das Schuljahr 2015/16 auch mit Rücksicht darauf zumutbar, dass der Wechsel zu Beginn der 11. Klasse und damit innerhalb eines Zeitraums von zwei Jahren vor dem Abitur hätte stattfinden müssen. Denn die Klägerin habe die im Zeitpunkt ihrer BAföG-Antragstellung bestehende Situation, in der Jahrgangsstufe 11 ein privates Gymnasium zu besuchen, aufgrund eigener Entscheidung selbst herbeigeführt durch die Wahl der auswärtigen Schule ab Klasse 5 auf Basis einer vollständigen Finanzierung durch die Eltern.

Aufzugebendes Fach Spanisch bislang nicht ausbildungsprägend

Auch die Tatsache, dass die Klägerin bei einem Wechsel auf das Gymnasium W. das Fach Spanisch nicht hätte weiterführen können, habe den Wechsel nicht unzumutbar gemacht. Denn sie habe Spanisch erst in der Klasse 10 und auch nur mit drei Wochenstunden belegt. Das Fach habe daher ihre bisherige Ausbildung nicht geprägt.

VGH Mannheim, Urteil vom 18.04.2018 - 12 S 1098/17

Redaktion beck-aktuell, 7. August 2018.

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