VGH Mann­heim: In Kürze ver­bo­te­ne neue psy­cho­ak­ti­ve Stof­fe dür­fen be­schlag­nahmt wer­den

Die po­li­zei­li­che Be­schlag­nah­me neuer psy­cho­ak­ti­ver Stof­fe, die zwar zum Zeit­punkt der Be­schlag­nah­me legal ver­kauft wer­den dür­fen, deren Ver­bot durch Auf­nah­me in die An­la­ge des Neue-psy­cho­ak­ti­ve-Stof­fe-Ge­set­zes (NpSG) aber un­mit­tel­bar be­vor­steht, ist recht­mä­ßig. Dies hat der Ver­wal­tungs­ge­richts­hof Mann­heim mit Be­schluss vom 04.07.2019 in einem Eil­ver­fah­ren ent­schie­den. Dabei dürfe die Po­li­zei auch vom Bun­des­ge­biet aus­ge­hen­de Ge­fah­ren im Aus­land ab­weh­ren, je­den­falls dann, wenn es um den Schutz uni­ver­sel­ler Grund­rech­te wie Leben, kör­per­li­che Un­ver­sehrt­heit, Frei­heit und Ei­gen­tum gehe (Az.: 1 S 1772/19, BeckRS 2019, 15261).

Er­mitt­lungs­ver­fah­ren nach Ver­trieb le­ga­ler LSD-De­ri­va­te ein­ge­stellt

Der An­trag­stel­ler be­treibt einen On­line­han­del mit LSD-De­ri­va­ten. Im Rah­men eines gegen ihn ge­führ­ten Er­mitt­lungs­ver­fah­rens be­schlag­nahm­te die Staats­an­walt­schaft He­chin­gen die LSD-De­ri­va­te ETH-LSD (min­des­tens 15.368 Ein­hei­ten und wei­te­res in Pul­ver­form) sowie AL-LAD (min­des­tens 19.832 Ein­hei­ten und wei­te­res in Pul­ver­form) mit einem Ver­kaufs­wert von etwa 50.000 Euro. Das Er­mitt­lungs­ver­fah­ren wurde ein­ge­stellt, da die be­schlag­nahm­ten Stof­fe kei­nem ge­setz­li­chen Ver­bot un­ter­fie­len.

LSD-De­ri­va­te wer­den be­schlag­nahmt

Mit Be­scheid vom 02.07.2019 be­schlag­nahm­te das Po­li­zei­prä­si­di­um Tutt­lin­gen (An­trags­geg­ner) po­li­zei­recht­lich nach § 33 Abs. 1 Nr. 1 PolG Baden-Würt­tem­berg die ge­nann­ten Stof­fe. Eine Her­aus­ga­be der Stof­fe sei wegen deren psy­cho­ak­ti­ver Wir­kung mit einer Ge­fahr für die Ge­sund­heit der Be­völ­ke­rung und des Ein­zel­nen ver­bun­den. Die be­schlag­nahm­ten Sub­stan­zen un­ter­fie­len in Kürze dem NpSG und seien damit ab die­sem Tag ver­bo­ten. Eine le­ga­le Ent­sor­gung der Sub­stan­zen durch den An­trag­stel­ler bis zu die­sem Tag sei nicht si­cher­ge­stellt.

An­trag­stel­ler be­gehr­te Her­aus­ga­be

Gegen die Be­schlag­nah­me wand­te sich der An­trag­stel­ler mit einem An­trag auf einst­wei­li­gen Rechts­schutz an das Ver­wal­tungs­ge­richt Frei­burg und ver­lang­te die Her­aus­ga­be der Ware an sich. Das VG lehn­te dies ab. Die Be­schlag­nah­me sei recht­mä­ßig, da von den Stof­fen Ge­fah­ren für Leib und Leben aus­gin­gen. Die Än­de­rung des NpSG, die vor­aus­sicht­lich am 05.07.2019 in Kraft trete, ver­bie­te die be­schlag­nahm­ten LSD-De­ri­va­te. Da­ge­gen legte der An­trag­stel­ler Be­schwer­de ein.

VGH: Rück­kauf­be­stä­ti­gung von nie­der­län­di­schem Lie­fe­ran­ten räumt Ge­fahr nicht aus

Der VGH hat die Be­schwer­de zu­rück­ge­wie­sen. Eine po­li­zei­li­che Ge­fahr für Leib und Leben im Sinn von § 33 Abs. 1 Nr. 1 PolG Baden-Würt­tem­berg liege vor. Dies gelte auch dann, wenn man auf­grund der vom An­trag­stel­ler vor­ge­leg­ten Rück­kauf­be­stä­ti­gung sei­nes nie­der­län­di­schen Lie­fe­ran­ten davon aus­ge­he, dass die­ser die Che­mi­ka­li­en zu­künf­tig nicht an Kon­su­men­ten in Deutsch­land ver­kau­fen werde. Zum einen be­stehe eine hin­rei­chen­de Wahr­schein­lich­keit, dass auch in dem Fall, dass der Lie­fe­rant des An­trag­stel­lers die von die­sem zu­rück­ge­kauf­ten Sub­stan­zen nicht an Kon­su­men­ten in Deutsch­land ver­kau­fe, ih­rer­seits die Käu­fer des Lie­fe­ran­ten des An­trag­stel­lers die Sub­stan­zen an Kon­su­men­ten in Deutsch­land ver­kau­fen wür­den. Somit droh­ten nach dem 05.07.2019 mög­li­che Ge­sund­heits­ge­fah­ren in Deutsch­land.

Ab­wehr auch von Deutsch­land aus­ge­hen­der Ge­fah­ren für Leib und Leben

Zudem sei es der Po­li­zei­be­hör­de nicht ver­wehrt, Be­schlag­nah­men vor­zu­neh­men, um Ge­fah­ren für Leib und Leben, die vom Bun­des­ge­biet aus­gin­gen, zu un­ter­bin­den, so der VGH wei­ter. Denn deut­sche Po­li­zei­be­hör­den seien für die Ab­wehr von Ge­fah­ren im Aus­land je­den­falls dann zu­stän­dig, wenn es um den Schutz der Rechts­gü­ter Leben, kör­per­li­che Un­ver­sehrt­heit, Frei­heit und Ei­gen­tum als uni­ver­sel­le Grund­rech­te gehe und die Ge­fah­ren, die sich im Aus­land rea­li­sier­ten, vom Bun­des­ge­biet aus­gin­gen.

An­trag­stel­ler kann sich nicht auf Be­rufs­frei­heit be­ru­fen

Laut VGH kann sich der An­trag­stel­ler nicht mit Er­folg auf seine grund­recht­lich ge­schütz­te Be­rufs­frei­heit be­ru­fen und gel­tend ma­chen, den Po­li­zei­be­hör­den fehle die Be­fug­nis, der­zeit le­ga­le Ware zu be­schlag­nah­men. Zwar dürf­ten Po­li­zei­be­hör­den Stof­fe, bei denen davon aus­zu­ge­hen sei, dass sie vom Ver­ord­nungs­ge­ber be­wusst nicht in die An­la­ge zum NpSG auf­ge­nom­men wor­den seien, nicht ohne wei­te­res auf­grund einer be­fürch­te­ten psy­cho­ak­ti­ven Wir­kung als ge­fähr­lich ein­stu­fen.

Un­mit­tel­bar be­vor­ste­hen­des Ver­bot recht­fer­tigt Be­schlag­nah­me

Je­doch habe hier der Bun­des­rat der Auf­nah­me der be­schlag­nahm­ten Stof­fe in die An­la­ge zum NpSG am 28.06.2019 zu­ge­stimmt, so der VGH. Die Än­de­rung trete in Kürze in Kraft. Das NpSG sei von vorn­her­ein dar­auf aus­ge­legt, neu­ar­ti­ge psy­cho­ak­ti­ve Stof­fe, dem ak­tu­el­len Stand der Er­kennt­nis­se ent­spre­chend, lau­fend neu zu er­fas­sen, um den damit ver­bun­de­nen Ge­fah­ren ef­fek­tiv zu be­geg­nen. Daher müsse der­je­ni­ge, der mit neuen psy­cho­ak­ti­ven Stof­fen Han­del trei­be, sie in den Ver­kehr brin­ge oder her­stel­le, auf­grund der er­kenn­ba­ren In­ten­ti­on des Ge­setz­ge­bers, neu­ar­ti­ge psy­cho­ak­ti­ve Stof­fe lau­fend neu zu er­fas­sen, von vorn­her­ein damit rech­nen, dass der­zeit le­ga­le neue psy­cho­ak­ti­ve Stof­fe, die er be­sit­ze, in naher Zu­kunft ver­bo­ten wür­den. Seine Rechts­po­si­tio­nen seien daher von vorn­her­ein er­kenn­bar mit der Mög­lich­keit eines als­bald be­vor­ste­hen­den Ver­bots "be­las­tet".

VGH Mannheim, Beschluss vom 04.07.2019 - 1 S 1772/19

Redaktion beck-aktuell, 27. August 2019.

Mehr zum Thema