VGH Mannheim: Grundstücksnachbarn müssen Ballspielplatz für Kinder im allgemeinen Wohngebiet dulden

Der Verwaltungsgerichtshof Mannheim hat es mit unanfechtbarem Beschluss vom 26.03.2018 abgelehnt, Grundstücksnachbarn vorläufigen Rechtsschutz gegen die bauplanungsrechtliche Zulassung eines Ballspielplatzes für Kinder in einem allgemeinen Wohngebiet zu gewähren. Denn bei der Errichtung der konkreten Anlage könne und müsse gewährleistet werden, dass im Wesentlichen nur Kinder bis 14 Jahren den Platz nutzten (Az.: 5 S 1886/17).

Ballspielplatz für Kinder in allgemeinem Wohngebiet festgesetzt

Die Antragsteller sind Eigentümer eines Hausgrundstücks, das in einem allgemeinen Wohngebiet liegt. In diesem Plangebiet liegt auch das westlich angrenzende, bislang unbebaute Nachbargrundstück. Mit der vom Gemeinderat der Antragsgegnerin beschlossenen Änderung des Bebauungsplans wurde dieses Grundstück als öffentliche Grünfläche mit der Zweckbestimmung "Ballspielplatz für Kinder" festgesetzt. Im Textteil der planungsrechtlichen Festsetzungen heißt es, dass dort "ein Ballspielplatz für Kinder mit den Höchstmaßen 15 m x 30 m und zwei darauf in den Boden verankerte (Fußball-)Tore" zulässig seien, die Spielfeldfläche aber einen Mindestabstand von 2,5 Metern zu den Nachbargrundstücken einhalten müsse.

Grundstücksnachbarn begehrten einstweiligen Rechtsschutz

Die Antragsteller haben Normenkontrollanträge gegen die Änderung des Bebauungsplans gestellt. Zugleich beantragten sie den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 47 Abs. 6 VwGO, um die Außervollzugsetzung der B-Planänderung bis zur Entscheidung über ihre Normenkontrollanträge zu erreichen. Sie machten geltend, bei der geplanten Einrichtung handele es sich nicht um eine Ballspielfläche für Kinder, sondern vielmehr um einen Bolzplatz zur sportlichen Betätigung von Jugendlichen und Erwachsenen. Denn im Bebauungsplan sei der Benutzerkreis nicht auf Kinder bis zum vollendeten 14. Lebensjahr beschränkt worden, auch sprächen Größe und Ausstattung der geplanten Einrichtung sowie deren räumliche Entfernung zu einem bereits vorhandenen Kinderspielplatz gegen eine Kinderspielfläche.

Irrige Annahme einer Privilegierung nach § 22 Abs. 1a BImSchG gerügt

In der irrigen Annahme, dass die Ballspielfläche unter die Privilegierung des § 22 Abs. 1a BImSchG falle, habe die Antragsgegnerin zu Unrecht keine Ermittlungen dazu angestellt, welche Geräuscheinwirkungen von der Anlage zu erwarten seien. Auch mit sonstigen Einwirkungen durch fehlgeleitete Bälle und Lärmeinwirkungen wegen missbräuchlicher und zweckentfremdeter Nutzung des Platzes (insbesondere durch Jugendliche) habe sich die Antragsgegnerin nicht auseinandergesetzt. Die Festsetzung sei ferner wegen ihrer geringen Entfernung zum Garten der Antragsteller - 7,50 Meter - nicht mit deren Interessen vereinbar.

VGH: Festsetzung im Bebauungsplan maßgeblich  

Der VGH hat die Anträge auf Außervollzugsetzung des Bebauungsplans abgelehnt, da die Normenkontrollanträge der Antragsteller keine hinreichende Erfolgsaussicht hätten und diese auch keinen hinreichend schwerwiegenden Nachteil dargelegt hätten. Voraussichtlich zu Recht habe die Antragsgegnerin § 22 Abs. 1a BImSchG für anwendbar gehalten. So könne allein maßgeblich sein, dass im Bebauungsplan auf der Grundlage von § 9 Abs. 1 Nr. 15 BauGB ein Ballspielplatz für Kinder festgesetzt worden sei.

Bei Anlagenerrichtung Nutzungsbeschränkung auf Kinder zu gewährleisten

Zwar könne im Einzelfall die Abgrenzung zu einem Bolzplatz, der der spielerischen und sportlichen Betätigung Jugendlicher und junger Erwachsener diene und nicht in den Anwendungsbereich der Privilegierung des § 22 Abs. 1a BImSchG falle, schwierig sein. Diese Abgrenzungsfragen stellten sich hier aber nicht, weil beim Vollzug des Bebauungsplans - durch Errichtung der konkreten Anlage - gewährleistet werden müsse und könne, dass im Wesentlichen nur Kinder bis 14 Jahren die Anlage nutzten und das Lärmprofil des Ballspielplatzes dem eines Kinderspielplatzes vergleichbar sei. Die Vorgaben im Bebauungsplan (Spielfläche maximal 15 x 30 Meter, zwei Fußballtore) stünden dem jedenfalls nicht entgegen, zumal gegebenenfalls eine kleinere Feldgröße gewählt oder auf das Aufstellen von Toren verzichtet werden könne.

Möglichem Missbrauch mit Benutzungsordnung und ordnungsrechtlichen Mitteln zu begegnen

Laut VGH kann zwar nicht ausgeschlossen werden, dass die Anlage missbräuchlich genutzt werde - etwa durch Jugendliche und Erwachsene zum "Bolzen" oder in den Nachtstunden -, dem sei aber allgemein durch Schaffung einer Benutzungsordnung und mit den Mitteln des Ordnungsrechts zu begegnen.

Nähe des Grundstücks zum Ballspielplatz begründet keine Ausnahme von Regelwirkung des § 22 Abs. 1a BImSchG

Einen Ausnahmefall von der Regelwirkung des § 22 Abs. 1a BImSchG, etwa dergestalt, dass die geplante Einrichtung in der Nähe besonders schutzwürdiger Nutzungen liege oder sich nach Art und Größe nicht in die vorhandene Wohnbebauung einfüge, hätten die Antragsteller nicht dargelegt. Alleine die Nähe ihres Grundstücks zum Ballspielplatz führe mit Blick auf die Wahrung der Abstandsflächen und die Möglichkeit, Maßnahmen zur Störungsminimierung zu ergreifen, nicht zu einer Ausnahmesituation.

Mögliche andere Störungsrisiken berücksichtigt

Voraussichtlich ohne Erfolg bleibe auch der Einwand der Antragsteller, die Antragsgegnerin habe das Risiko anderer drohender Einwirkungen nicht hinreichend ermittelt. Aus der Abwägungstabelle ergebe sich, dass diese möglichen Folgen erkannt worden seien und ihnen mit Ballfangnetzen und ähnlichen Einrichtungen begegnet werden solle. Aus den Protokollen der Sitzungen des Gemeinderats ergebe sich, dass die Antragsgegnerin auch Standortalternativen untersucht und mit nachvollziehbaren Argumenten verworfen habe.

Kein anderes Ergebnis bei Annahme offener Erfolgsaussichten: schwerwiegender Nachteil nicht dargelegt

Laut VGH würden die Anträge auf Außervollzugsetzung des Bebauungsplans aber auch dann erfolglos bleiben, wenn unterstellt würde, dass die Erfolgsaussichten der Normenkontrollanträge nicht abschließend abschätzbar seien. Denn die Antragsteller hätten einen hinreichend schwerwiegenden Nachteil - als weitere Voraussetzung für den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 47 Abs. 6 VwGO - nicht dargelegt. Es sei nicht zu erwarten, dass es infolge etwaiger Lärmimmissionen zu irreversiblen Grundrechtsbeeinträchtigungen kommen werde. Auch mit der Schaffung nicht mehr korrigierbarer Fakten sei nicht zu rechnen. Sollte es in Folge der kurzfristigen Einrichtung der Ballspielfläche zu nicht vorhergesehenen Belastungen kommen, bestünde für die Antragsgegnerin die Verpflichtung, zeitnah die Nutzung der Anlage - etwa durch Absperren der Anlage oder Beseitigung der Tore - zu unterbinden oder die Anlage gegebenenfalls zu beseitigen. Die Antragsteller haben ihre Normenkontrollanträge im Anschluss an den Eilbeschluss zurückgenommen.

VGH Mannheim, Beschluss vom 26.03.2018 - 5 S 1886/17

Redaktion beck-aktuell, 3. August 2018.

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