VGH Mannheim fragt EuGH zu Umfang subsidiären Schutzes für aus Afganistan stammende Asylantragsteller

Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg in Mannheim hat in zwei asylrechtlichen Verfahren den Gerichtshof der Europäischen Union zur Klärung asylrechtlicher Fragen angerufen, die die Auslegung der unionsrechtlichen Voraussetzungen des subsidiären Schutzes nach der sogenannten Qualifikationsrichtlinie betreffen. Konkret ging es um den subsidiären Schutz für zwei Asylbewerber aus der afghanischen Provinz Nangarhar (Az.: A 11 S 2374/19 und A 11 S 2375/19).

Asylanträge zweier Zivilpersonen aus Nangarhar

Die Kläger stammen aus der afghanischen Provinz Nangarhar, in der seit Jahren ein bewaffneter Konflikt mit einer hohen Zahl an Opfern unter der Zivilbevölkerung herrscht. Ihre in der Bundesrepublik Deutschland gestellten Asylanträge wurden abgelehnt. Die dagegen erhobenen Klagen blieben in der ersten Instanz erfolglos. Der VGH hat jeweils die Berufung zugelassen, soweit die Ansprüche auf Zuerkennung subsidiären Schutzes betroffen sind.

Gefahrenbegriff zu klären

In den Verfahren stellt sich nach Ansicht des VGH die Frage, ob die Kläger als Zivilpersonen in der Provinz Nangarhar aufgrund des dortigen bewaffneten Konflikts im Fall ihrer Rückkehr der Gefahr ausgesetzt wären, einen ernsthaften Schaden im Sinn des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG zu erleiden. Diese Bestimmung setze Art. 15 Buchst. c und Art. 2 Buchst. f der Qualifikationsrichtlinie (Richtlinie 2011/95/EU) um. Unionsrechtlicher Klärungsbedarf bestehe hinsichtlich der Frage, nach welchen Kriterien zu bestimmen ist, ob eine Gefahr im Sinn dieser Bestimmungen vorliegt, die Voraussetzung der Zuerkennung subsidiären Schutzes ist.

EuGH soll zu Kriterien relevanter Bedrohung Stellung nehmen

Nach den bisher gültigen Maßstäben könnte aus Sicht des VGH subsidiärer Schutz nicht gewährt werden, weil es danach maßgeblich auf eine zahlenmäßige Erfassung der bislang zu beklagenden zivilen Opfer ankomme und der in der deutschen Rechtsprechung insofern zugrunde gelegte Schwellenwert in der Provinz Nangarhar trotz hoher Opferzahlen nicht erreicht werde. Allerdings wiesen andere Umstände auf eine nicht mehr hinnehmbare Gefährdung der Zivilbevölkerung hin, insbesondere die hohe Anzahl an Vertriebenen, die Zahl, Unvorhersehbarkeit und Verbreitung der Kampfhandlungen sowie die Natur des in Afghanistan herrschenden Konflikts. Die Entscheidung, nach welchen Kriterien zu entscheiden ist, ob nach den unionsrechtlichen Vorgaben eine relevante Bedrohung der Zivilbevölkerung herrscht, obliege dem EuGH. Der VGH Mannheim hat dem EuGH daher zwei Fragen zum Umfang des subsidiären Schutzes vorgelegt und die asylrechtlichen Verfahren bis zu einer Entscheidung des EuGH über die Vorlagefragen ausgesetzt.

VGH Mannheim - A 11 S 2374/19

Redaktion beck-aktuell, 9. Dezember 2019.

Mehr zum Thema