"Einfrieren der Alarmstufe II" für Einzelhandel rechtswidrig

Das "Einfrieren der Alarmstufe II" durch die Corona-Verordnung der baden-württembergischen Landesregierung ist voraussichtlich rechtswidrig. Mit dieser Begründung hat der Verwaltungsgerichtshof des Landes in Mannheim gestern die bislang in Baden-Württemberg geltende 2G-Regel für den Einzelhandel gekippt. Zuvor hatte er bereits die 2G-Regel an Hochschulen außer Vollzug gesetzt. Damit gilt nunmehr die 3G-Regel.

Inhaberin eines Schreibwarengeschäftes sieht sich in Berufsfreiheit verletzt

Der Antragstellerin, die ein Schreibwarengeschäft im Ortenaukreis betreibt, wandte sich mit ihrem Antrag nach § 47 Abs. 6 VwGO gegen § 17 Abs. 1 der CoronaVO der Landesregierung in der Fassung vom 11.01.2022. Sie sah sich in ihrer Berufsfreiheit und dem Gleichbehandlungsgrundsatz verletzt. Schreibwarengeschäfte seien nicht weniger wichtig als Blumengeschäfte, die die Landesregierung zur Grundversorgung rechne und die daher keinen 2G-Beschränkungen unterlägen. Das Einfrieren der Alarmstufe II sei mit den Vorgaben des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) unvereinbar.

Landesregierung argumentiert mit aktuellem Infektionsgeschehen

Die Landesregierung ist dem Antrag entgegengetreten. Sie verweist darauf, dass die Vorschrift über das Einfrieren der Alarmstufe II im Anschluss an den Beschluss des VGH vom 20.01.2022 zur Rechtswidrigkeit der eingefrorenen Alarmstufe II für Studierende zeitnah aufgehoben werde. Es handele sich um eine vorübergehend zur Anwendung kommende Ausnahmeregelung, mit der der Verordnungsgeber auf das aktuelle Infektionsgeschehen und den derzeit nur beschränkten wissenschaftlichen Erkenntnisstand reagiere. Die 2G-Beschränkungen für den Einzelhandel seien rechtmäßig.

VGH setzt 2G-Regel außer Vollzug

Der VGH folgt dieser Argumentation nicht. Das in § 17 Abs. 1 CoronaVO beanspruchte "Einfrieren der Alarmstufe II" sei voraussichtlich rechtswidrig. Der VGH verweist insofern auf seine kürzlich ergangene Entscheidung zur 2G-Regel für Hochschulen. Denn eine Vorschrift, die ausdrücklich "unabhängig" von der Sieben-Tage-Hospitalisierungs-Inzidenz weitreichende Zugangsbeschränkungen für nicht-immunisierte Personen normiere, stehe mit den gesetzlichen Vorgaben aus § 28a Abs. 3 Satz 3 IfSG nicht in Einklang, so der VGH. Auch könnten erhebliche Grundrechtsbeschränkungen nicht abgekoppelt von der Sieben-Tage-Hospitalisierungs-Inzidenz angeordnet werden, heißt es im Beschluss weiter. Die Beschränkung des Zugangs zum Einzelhandel sei keine Maßnahme des präventiven Infektionsschutzes nach § 28a Abs. 3 Satz 2 IfSG, betont der VGH. Denn der Gesetzgeber sei ausdrücklich davon ausgegangen, dass zu den Maßnahmen des präventiven Infektionsschutzes nach § 28a Abs. 3 Satz 2 IfSG nur "niederschwellige" Maßnahmen gehörten.

Schwellenwertabhängige Alarmstufe dagegen rechtens

Der VGH lehnte jedoch den Antrag der Antragstellerin insoweit ab, als sich diese gegen die Regelung des § 17 Abs. 1 CoronaVO zur (schwellenwertabhängigen) Alarmstufe im Sinne des § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 CoronaVO und zur (schwellenwertabhängigen) Alarmstufe II im Sinne des § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 CoronaVO wandte. Denn diese Beschränkungen beruhten voraussichtlich auf einer ausreichenden Ermächtigungsgrundlage und verletzten die Antragstellerin nicht in ihrer Berufsfreiheit und dem Gleichbehandlungsrecht.

VGH Mannheim, Beschluss vom 25.01.2022 - 1 S 89/22

Redaktion beck-aktuell, 26. Januar 2022.