Nächtliche Ausgangbeschränkungen in Baden-Württemberg ab Donnerstag außer Vollzug
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Baden-Württembergs Bürger dürfen sich ab dem 11.02.2021 auch wieder nach 20.00 Uhr draußen aufhalten. Der Verwaltungsgerichtshof des Landes in Mannheim hat auf den Eilantrag einer Frau aus Tübingen die Vorschrift in der Corona-Verordnung der Landesregierung, die nächtliche Ausgangbeschränkungen von 20.00 Uhr bis 5.00 Uhr regelt, mit Wirkung ab dem 11.02.2021, 5.00 Uhr außer Vollzug gesetzt.

Voraussetzungen des IfSG zuletzt nicht mehr erfüllt

Die Regelung durch den Antragsgegner habe voraussichtlich den gesetzlichen Voraussetzungen aus § 28a Abs. 2, 3 IfSG zuletzt nicht mehr entsprochen. Nach § 28a Abs. 2 IfSG seien Ausgangsbeschränkungen nur möglich, "soweit auch bei Berücksichtigung aller bisher getroffenen anderen Schutzmaßnahmen eine wirksame Eindämmung der Verbreitung von COVID-19 erheblich gefährdet wäre". Sie seien daher nicht bereits dann zulässig, wenn ihr Unterlassen zu irgendwelchen Nachteilen in der Pandemiebekämpfung führe, sondern kämen nur dann in Betracht, wenn der Verzicht auf Ausgangsbeschränkungen auch unter Berücksichtigung aller anderen ergriffenen Maßnahmen zu einer wesentlichen Verschlechterung des Infektionsgeschehens führe.

Landesweite Ausgangsbeschränkungen müssen erforderlich sein

Zudem ergebe sich aus § 28a Abs. 3 IfSG, dass der Verordnungsgeber, wenn er Ausgangsbeschränkungen dem Grunde nach für erforderlich halte, auch eingehend zu prüfen habe, ob diese landesweit angeordnet werden müssten oder ob insoweit differenziertere Regelungen in Betracht kämen. Der Antragsgegner sei für die Voraussetzungen des § 28 Abs. 2, 3 IfSG begründungspflichtig. Den gesetzlichen Anforderungen für die nächtlichen Ausgangsbeschränkungen habe der Antragsgegner zuletzt – anders als Ende Dezember und Mitte Januar, als Eilanträge gegen die nächtlichen Ausgangbeschränkungen erfolglos geblieben seien – nicht mehr entsprochen. Der Anwendungsbereich des § 28a Abs. 3 Satz 10 IfSG sei derzeit eröffnet. Denn die landesweite Sieben-Tages-Inzidenz belaufe sich nach dem Stand vom 04.02.2021, 16.00 Uhr in Baden-Württemberg auf 63,5. Der Antragsgegner habe deshalb derzeit nach wie vor "landesweit abgestimmte umfassende, auf eine effektive Eindämmung des Infektionsgeschehens abzielende Schutzmaßnahmen anzustreben“, dabei aber darzulegen, dass der Verzicht auf Ausgangsbeschränkungen auch bei Berücksichtigung der übrigen Maßnahmen schwerwiegende Folgen für die wirksame Eindämmung der Verbreitung von COVID-19 zur Folge hätte und dass gerade der Erlass von landesweit einheitlichen Regelungen erforderlich sei.

Aktuelles Pandemiegeschehen steht Erforderlichkeit entgegen

Daran fehle es angesichts des aktuellen Pandemiegeschehens, so der VGH. Mitte Dezember 2020 sei in Baden-Württemberg auf damals bereits hohem Niveau wieder ein Anstieg der übermittelten Fallzahlen zu beobachten gewesen. Die Sieben-Tages-Inzidenz habe am 18.12.2020 bei 199,1 und der R-Wert bei 1,04 gelegen. Das Pandemiegeschehen im Land habe sich seither in beachtlichem Umfang verändert. Die Sieben-Tages-Inzidenz sei gesunken und liege nun bei 63,5. Der R-Wert bleibe mit 0,85 unter 1. Das Pandemiegeschehen stelle sich damit im Vergleich zu Mitte Dezember bei insgesamt fallenden Zahlen als regional erheblich differenzierter dar. Die vom Landesgesundheitsamt dazu erstellte Übersichtskarte zeige dabei auch, dass die Kreise mit vergleichsweise niedrigen Werten inzwischen nicht etwa bloße "Inseln“, sondern teils zusammenhängende Regionen innerhalb des Landes bildeten.

Kommunale Ausgangsbeschränkungen derzeit ausreichend

Der Antragsgegner habe im Wesentlichen vorgetragen, eine "verfrühte" Aufhebung der Ausgangsbeschränkungen berge die Gefahr eines erneuten exponentiellen Wachstums. Dieses Vorbringen falle gemessen an den Anforderungen des § 28a Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 IfSG zu pauschal und undifferenziert aus, kritisiert der VGH Mannheim. Insbesondere setze sich der Antragsgegner nicht damit auseinander, dass Bürger, die in Kreisen mit besonders hohen Inzidenzzahlen wohnten, in denen dann beispielsweise nächtliche Ausgangsbeschränkungen nochmals gezielt durch kommunale (Allgemein-)Verfügungen angeordnet werden könnten, diese Kreise aufgrund der dann regionalen Regelung nicht verlassen dürften. Schon deshalb wäre bei etwaigen kommunalen Ausgangsbeschränkungen nicht mit massenhaften Ausweichtendenzen zu rechnen.

VGH Mannheim, Beschluss vom 05.02.2021 - 1 S 321/21

Redaktion beck-aktuell, 8. Februar 2021.