VGH Mann­heim: Ab­sen­kung des Wahl­al­ters auf 16 Jahre für Kom­mu­nal­wah­len ist ver­fas­sungs­ge­mäß

Die Ab­sen­kung des ak­ti­ven Wahl­al­ters auf 16 Jahre für Kom­mu­nal­wah­len in Baden-Würt­tem­berg ver­stö­ßt nicht gegen hö­her­ran­gi­ges Recht. Nach einem Ur­teil des Ver­wal­tungs­ge­richts­hofs Baden-Würt­tem­berg in Mann­heim vom 21.07.2017 sind ins­be­son­de­re weder Be­stim­mun­gen des Grund­ge­set­zes noch der Lan­des­ver­fas­sung ver­letzt. Die Ein­sprü­che der Klä­ger gegen die Gül­tig­keit der Ge­mein­de­rats­wahl 2014 in Hei­del­berg hat­ten damit im zu­grun­de­lie­gen­den Ver­fah­ren kei­nen Er­folg (Az.: 1 S 1240/16).

Bür­ger mo­nier­ten Ab­sen­kung der Al­ters­gren­ze

Die Klä­ger sind Bür­ger der Stadt Hei­del­berg und waren 2014 bei der Ge­mein­de­rats­wahl wahl­be­rech­tigt. Sie leg­ten gegen die Gül­tig­keit der Ge­mein­de­rats­wahl Ein­spruch vor allem mit der Be­grün­dung ein, die durch das Ge­setz vom 16.04.2013 vor­ge­nom­me­ne Ab­sen­kung des ak­ti­ven Wahl­al­ters auf 16 Jahre für Kom­mu­nal­wah­len in Baden-Würt­tem­berg ver­sto­ße gegen hö­her­ran­gi­ges Recht. Das Re­gie­rungs­prä­si­di­um Karls­ru­he (Be­klag­ter) wies die Wahl­ein­sprü­che der Klä­ger zu­rück. Die von den Klä­gern hier­ge­gen er­ho­be­ne Klage wies das Ver­wal­tungs­ge­richt Karls­ru­he mit Ur­teil vom 11.05.2016 ab. Gegen das Ur­teil des VG leg­ten die Klä­ger die von die­sem zu­ge­las­se­ne Be­ru­fung zum VGH ein.

Be­griff "Staats­volk" er­fasst alle deut­schen Staats­an­ge­hö­ri­gen

Nach Auf­fas­sung des VGH ver­stö­ßt die Ab­sen­kung des Wahl­al­ters auf 16 Jahre für Kom­mu­nal­wah­len in Baden-Würt­tem­berg nicht gegen das De­mo­kra­tie­prin­zip des Art. 20 GG. Nach dem De­mo­kra­tie­prin­zip gehe die Staats­ge­walt vom Volk aus. Zum Staats­volk in die­sem Sinn ge­hör­ten ent­ge­gen der Auf­fas­sung der Klä­ger die deut­schen Staats­an­ge­hö­ri­gen un­ab­hän­gig von ihrem Alter. Art. 38 Abs. 2 GG lege nur für die Wahl zum Deut­schen Bun­des­tag das Wahl­al­ter auf 18 Jahre fest.

Er­for­der­li­ches Min­dest­maß an Reife kann bei 16-Jäh­ri­gen ty­pi­scher­wei­se an­ge­nom­men wer­den

Bei der Fest­le­gung des Wahl­al­ters für die Kom­mu­nal­wah­len habe der Lan­des­ge­setz­ge­ber daher einen Ein­schät­zungs­spiel­raum, bei des­sen Aus­übung er je­doch das ver­fas­sungs­recht­li­che Er­for­der­nis be­ach­ten müsse, dass das ak­ti­ve Wahl­recht ein Min­dest­maß an Reife und Ur­teils­kraft vor­aus­set­ze. Der Ge­setz­ge­ber habe davon aus­ge­hen dür­fen, dass 16- und 17-jäh­ri­ge Ju­gend­li­che den not­wen­di­gen Grad an po­li­ti­scher Ein­sichts­fä­hig­keit hät­ten. Ex­per­ten­an­hö­run­gen in Ge­setz­ge­bungs­ver­fah­ren an­de­rer Län­der, die das Wahl­al­ter für Land­tags- oder Kom­mu­nal­wah­len auf 16 Jahre ge­senkt hät­ten, zeig­ten, dass gute Grün­de für die An­nah­me sprä­chen, dass Ju­gend­li­che ab 16 Jah­ren ty­pi­scher­wei­se die not­wen­di­ge Reife be­sä­ßen, um an Kom­mu­nal­wah­len teil­neh­men zu kön­nen.

Feh­len­der Aus­schluss bei psy­chi­scher Krank­heit oder Be­hin­de­rung nicht zu be­an­stan­den

Ent­ge­gen der Auf­fas­sung der Klä­ger sei auch nicht zu be­an­stan­den, dass der Ge­setz­ge­ber 16- und 17-jäh­ri­ge, die auf­grund einer psy­chi­schen Krank­heit oder einer kör­per­li­chen, geis­ti­gen oder see­li­schen Be­hin­de­rung ihre An­ge­le­gen­hei­ten nicht selbst be­sor­gen könn­ten, vom Wahl­recht nicht aus­ge­schlos­sen habe. Das Be­treu­ungs­recht nach dem Bür­ger­li­chen Ge­setz­buch lasse eine An­ord­nung der Be­treu­ung für Min­der­jäh­ri­ge nicht zu. Hier­an habe sich der Lan­des­ge­setz­ge­ber ori­en­tie­ren dür­fen.

Lan­des­ver­fas­sung nicht ver­letzt

Schlie­ß­lich ver­sto­ße die Ab­sen­kung des ak­ti­ven Wahl­al­ters auf 16 Jahre für Kom­mu­nal­wah­len auch nicht gegen die Lan­des­ver­fas­sung. Die Fest­le­gung des Wahl­al­ters auf 18 Jahre in Art. 26 Abs. 1 LV gelte nicht für Kom­mu­nal­wah­len, da die Lan­des­ver­fas­sung in Art. 26 Abs. 8, 72 Abs. 3 LV vor­se­he, dass der Ge­setz­ge­ber hier­für ei­ge­ne Re­ge­lun­gen tref­fen könne.

VGH Mannheim, Urteil vom 21.07.2017 - 1 S 1240/16

Redaktion beck-aktuell, 28. Juli 2017.

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