Student begehrt Zugang zu universitärer Infrastruktur
Der Antragsteller wendet sich mit seinem Antrag nach § 47 Abs. 6 VwGO gegen § 2 Abs. 5 CoronaVO Studienbetrieb des Wissenschaftsministeriums in der Fassung vom 24.11.2021 und gegen §§ 9 Abs. 1 Nr. 2 und 3, 10 Abs. 1 Nr. 2, 14 Abs. 1 der CoronaVO der Landesregierung in der Fassung vom 14.11.2021. Er trägt vor, er sei nicht gegen COVID-19 geimpft und studiere Pharmazie an einer Hochschule in Baden-Württemberg. Zur erfolgreichen Durchführung seines Studiums sei er darauf angewiesen, Zugang zu den Räumlichkeiten und der Infrastruktur der Universität zu haben. Die Kontaktbeschränkungen nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 und 3 CoronaVO nähmen ihm die Möglichkeit, sich mit einer beliebigen Anzahl an Kommilitonen zu treffen und Lerngruppen zu bilden. § 10 Abs. 1 Nr. 2 CoronaVO begründe unverhältnismäßige Grundrechtseingriffe in die allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG). Ein Mindestmaß an Teilhabe am gesellschaftlichen und kulturellen Leben sei nicht mehr gewährleistet. Fragwürdig sei auch der in § 14 Abs. 1 Nr. 4 CoronaVO normierte Ausschluss der Nicht-Immunisierten von sportlichen Aktivitäten.
2G-Regelung an Hochschulen zu unbestimmt
Der VGH Mannheim gab dem gegen § 2 Abs. 5 der CoronaVO Studienbetrieb des Wissenschaftsministeriums gerichteten Antrag statt und setzte die Norm vorläufig außer Vollzug. Im Übrigen lehnte er den Antrag ab. § 2 Abs. 5 CoronaVO Studienbetrieb verstoße voraussichtlich gegen das rechtsstaatliche Bestimmtheitsgebot. Rechtsvorschriften müssten so gefasst sein, dass der Betroffene die Rechtslage konkret erkennen und sein Verhalten danach ausrichten könne. Aus der Vorschrift ergebe sich jedoch nicht, zu welchen Vorkehrungen Hochschulen im Hinblick auf nicht-immunisierte Studierende verpflichtet seien, um die Studierbarkeit des Studiengangs zu gewährleisten. Eine detailliertere Regelung dürfte insbesondere wegen der Auswirkungen auf die Ausbildungsfreiheit der Studierenden geboten sein. Denn Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG gewährleiste allen Deutschen das Recht, die Ausbildungsstätte frei zu wählen. Grundrechtlich geschützt seien nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die im Rahmen der Ausbildung notwendigen Tätigkeiten.
Schwerwiegender Eingriff in Recht aus Art. 12 Abs. 1 GG
In dieses Recht aus Art. 12 Abs. 1 GG greife § 2 Abs. 5 Satz 1 CoronaVO Studienbetrieb in schwerwiegender Weise ein, da nicht-immunisierte Studierende an Präsenzveranstaltungen ihres Studiengangs - mit Ausnahme der in § 2 Abs. 5 Satz 2 CoronaVO Studienbetrieb vorgesehenen Veranstaltungen - nicht teilnehmen könnten. Durch diese Beschränkung könne, soweit kein anderweitiger Zugang zu diesen Studienangeboten bereitgestellt werde, jedenfalls der erfolgreiche Abschluss eines Semesters konkret gefährdet werden, was zumindest zu einer Verlängerung des Studiums führen könne. Auch die Gefährdung des Studienerfolgs insgesamt sei durch die Beschränkung des Zugangs zu Lehrveranstaltungen möglich.
Vorgaben zu "Studierbarkeit" der Studiengänge unzureichend
Zu Recht habe der Antragsgegner daher im Hinblick auf die Verhältnismäßigkeit des Eingriffs in Art. 12 Abs. 1 GG den Ausnahmetatbestand des § 2 Abs. 5 Satz 2 CoronaVO normiert und vorgesehen, dass Hochschulen die Studierbarkeit der Studiengänge sicherzustellen hätten. Ausreichende Vorgaben, welche Maßnahmen die Hochschulen zu ergreifen hätten, um die Studierbarkeit der Studiengänge sicherzustellen, fehlten jedoch. Unklar bleibe, ob Hochschulen - um den schwerwiegenden Eingriff in Art. 12 Abs. 1 GG soweit als möglich abzumildern - verpflichtet sein sollten, Präsenzveranstaltungen regelmäßig als Hybridveranstaltungen durchzuführen oder aufzuzeichnen und diese Aufzeichnungen nicht-immunisierten Studierenden zügig zur Verfügung zu stellen oder ob es nach der Vorstellung des Verordnungsebers ausreichen solle, dies nur für Pflichtveranstaltungen vorzusehen, oder ob es den Hochschulen etwa möglich sein solle, die Studierbarkeit der Studiengänge auf andere Weise nach ihrem freien Ermessen sicherzustellen.
Kontaktbeschränkungen und Beschränkungen des Zugangs zu Veranstaltungen rechtens
Hingegen sei der gegen §§ 9 Abs. 1 Nr. 2 und 3, 10 Abs. 1 Nr. 2, 14 Abs. 1 Nr. 4 CoronaVO gerichtete Antrag unbegründet. Die in § 9 Abs. 1 Nr. 3 CoronaVO normierten Kontaktbeschränkungen in der Alarmstufe II griffen in die allgemeine Handlungsfreiheit der Bürger erheblich ein. Die Verbote beträfen den privaten Lebensbereich und schränkten die sozialen Kontaktmöglichkeiten in einem beachtlichen Umfang ein. Die Kontaktbeschränkungen würden jedoch durch zahlreiche Ausnahmen in § 9 Abs. 2 bis 4 CoronaVO relativiert. Diese stellten sicher, dass auch nicht-immunisierte Personen in der Alarmstufe II in erheblichem Umfang private Beziehungen auch durch persönliche Treffen mit anderen Menschen pflegen könnten und ihnen durch die angefochtene Vorschrift keine soziale Isolation drohe. Auch die Beschränkungen des Zugangs zu Veranstaltungen und zu Kultur- und Freizeiteinrichtungen seien im Hinblick auf den Gesundheitsschutz beim derzeitigen Stand der Pandemie verhältnismäßig.
Land erlässt unmittelbar im Anschluss angepasste Verordnung
Mit der am 19.12.2021 vom Land erlassenen und ab 20.12.2021 geltenden Änderungsverordnung wird § 2 Absatz 5 Satz 4 CoronaVO Studienbetrieb gemäß den Maßgaben des VGH Baden-Württemberg neu gefasst. Mit dieser Modifikation wird die Geltungsdauer der Corona-Verordnung Studienbetrieb nach Überprüfung der Maßnahmen bis einschließlich 17.12.2022 verlängert. Den Anforderungen des VGH an die Bestimmtheit der Regelung soll die Änderungsverordnung Rechnung getragen. Das Land teilt mit, dass sie die in der Alarmstufe II erforderliche 2G-Regelung im Studienbetrieb genauer definiert wird und den Hochschulen klare Handlungsleitlinien an die Hand gegeben werden. Der neue § 2 Absatz 5 Satz 4 enthalte jetzt detaillierte Vorgaben zur Sicherstellung der Studierbarkeit während der Alarmstufe II für nicht-immunisierte Studierende. Zudem blieben die Bibliotheken im 3G-Betrieb.