VGH Kassel: Zusammenkünfte in Kirchen, Moscheen und Synagogen bleiben während Corona-Krise untersagt

Die vorübergehende Untersagung von Zusammenkünften in Kirchen, Moscheen und Synagogen während der Corona-Pandemie wird nicht außer Vollzug gesetzt. Dies hat der Verwaltungsgerichtshof Hessen in Kassel entschieden und damit den Eilantrag eines gläubigen Katholiken abgelehnt (Beschluss vom 07.04.2020, Az.: 8 B 892/20.N, unanfechtbar).

Verordnung der hessischen Landesregierung im Visier

Der Antragsteller begehrte den Erlass einer einstweiligen Anordnung in einem Normenkontrollverfahren, indem er sich direkt gegen die 4. Verordnung zur Bekämpfung des Corona-Virus der hessischen Landesregierung vom 17.03.2020 wendete. Die streitige Regelung lautet: "Untersagt werden Zusammenkünfte in Kirchen, Moscheen, Synagogen und die Zusammenkünfte anderer Glaubensgemeinschaften. Allen Glaubensgemeinschaften bleibt es unbenommen, alternative Formen der Glaubensbetätigung auszuüben, die nicht mit Zusammenkünften von Personen verbunden sind, zum Beispiel Angebote im Internet. Die in Satz 1 genannten Gebäude und Räume können für die Gebete Einzelner offengehalten werden...". Der Antragsteller machte geltend, er besuche als überzeugtes Mitglied der römisch-katholischen Kirche in Wahrnehmung seiner religiösen Verpflichtungen regelmäßig (mindestens jeden Sonntag) die Heilige Messe, was ihm aufgrund der streitgegenständlichen Regelung nunmehr unmöglich gemacht werde. Die Religionsfreiheit dürfe als schrankenloses Grundrecht nicht eingeschränkt werden. Das Verbot sei überdies unverhältnismäßig.

Massive Grundrechtsbeschränkung zu Verhinderung weiterer Infektionen erforderlich

Der VGH hat den Eilantrag abgelehnt. Die angegriffene Regelung erweise sich aufgrund der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung weder als offensichtlich rechtswidrig noch sei bei der vom VGH anzustellenden Folgenabwägung die Außervollzugsetzung der Regelung geboten. Zwar begründe die angegriffene Norm außerordentlich weitreichende – in der jüngeren Vergangenheit beispiellose – Einschränkungen der Religionsfreiheit sämtlicher Menschen, die sich dauerhaft oder vorübergehend im Gebiet des Landes Hessen aufhielten. Diese massiven Eingriffe seien aber – soweit im Eilverfahren feststellbar – von einer hinreichend bestimmten gesetzlichen Grundlage getragen und zur Erreichung eines legitimen Ziels – unmittelbar der befristeten Verhinderung weiterer Infektionsfälle, mittelbar der Gewährleistung einer möglichst umfassenden medizinischen Versorgung von Personen, die an COVID-19 erkrankt sind – geeignet und erforderlich. Ein Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sei jedenfalls derzeit nicht festzustellen.

Religionsfreiheit nicht schrankenlos gewährleistet

Der Einwand des Antragstellers, die Freiheit der Religionsausübung sei im Grundgesetz schrankenlos gewährleistet und daher nicht durch Gesetz oder Verordnung einschränkbar, greife nicht. Die Religionsfreiheit sei zwar vorbehalts-, nicht aber schrankenlos gewährleistet. Dieses Grundrecht finde seine Grenzen wie jedes vorbehaltlos gewährleistete Grundrecht jedenfalls dort, wo dies zum Schutz der Grundrechte Dritter oder anderer mit Verfassungsrang ausgestatteter Rechtswerte notwendig sei. Dies sei hier in Bezug auf Leben und Gesundheit der Priester, anderer Gläubiger und angesichts der hohen Ansteckungsgefahr und großen Streubreite des Virus auch dritter nicht-gläubiger Menschen der Fall. Der Beschluss des VGH ist unanfechtbar.

VGH Kassel, Beschluss vom 07.04.2020 - 8 B 892/20.N

Redaktion beck-aktuell, 8. April 2020.

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