VGH Kassel: Begründung für Bürgerbegehren zur Abschaffung des hauptamtlichen ersten Stadtrats in Oestrich-Winkel irreführend

Die Vertrauenspersonen des Bürgerbegehrens "über den Verzicht auf die hauptamtliche/n Erste/n Stadträtin/Stadtrat in der Stadt Oestrich-Winkel" haben eine Niederlage erlitten. Der Hessische Verwaltungsgerichtshof in Kassel bestätigte in zweiter Instanz die Ablehnung ihres Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, weil die vorgelegte Begründung ihres Bürgerbegehrens zumindest irreführend sei. Daher ist die Stadt Oestrich-Winkel nunmehr nicht daran gehindert, das Stellenbesetzungsverfahren für die Wahl eines hauptamtlichen Ersten Stadtrats fortzuführen (Beschluss vom 21.01.2020, Az.: 8 B 2370/19, rechtskräftig).

Bürgerbegehren nicht ordnungsgemäß begründet

Zur Begründung führt der VGH aus, es fehle an einer ordnungsgemäßen Begründung für das Bürgerbegehren. Die Begründung diene dazu, die Unterzeichner über den Sachverhalt und die Argumente der Initiatoren des Bürgerbegehrens aufzuklären und darüber zu informieren, worüber abgestimmt werden solle. Sie dürfe zwar Wertungen, Schlussfolgerungen und Erwartungen enthalten, müsse jedoch insbesondere die entscheidungserheblichen Tatsachen zutreffend darstellen. Die abstimmungsberechtigten Bürger müssten sich anhand der Darstellungen ein Urteil darüber bilden können, ob sie dem Bürgerbegehren zustimmen wollen oder nicht. Dabei müsse gewährleistet sein, dass die angegebene Begründung nicht zur Verfälschung des Bürgerwillens führe. Sie dürfe deshalb nicht in wesentlichen Punkten falsch, unvollständig oder irreführend sein.

VGH geht mit VG von zumindest irreführender Begründung aus

Davon ausgehend sei das Verwaltungsgericht Wiesbaden zutreffend davon ausgegangen, dass die hier dem Bürgerbegehren beigegebene Begründung zumindest irreführend sei. Denn darin werde ausgeführt, größere Städte als Oestrich-Winkel kämen ohne hauptamtlichen Ersten Stadtrat aus. Dort sei es selbstverständlich, dass der Bürgermeister allein sämtliche Aufgabenbereiche (Dezernate) der Stadtverwaltung leite. Dadurch gewönne die Stadt dauerhaft zusätzlichen finanziellen Spielraum, den sie für Steuersenkungen, den Ausbau der Infrastruktur oder zur Vereinsförderung nutzen könne. Dem nicht mit der Gemeindeordnung vertrauten Bürger werde damit suggeriert, dass die Stelle des Ersten Stadtrates entbehrlich sei und sämtliche dafür anfallenden Kosten eingespart werden könnten und zur anderweitigen Verwendung zur Verfügung stünden.

Notwendigkeit "ehrenamtlichen" Ersten Stadtrats verschleiert

Nach der Formulierung der Begründung ziele das Bürgerbegehren der Antragsteller darauf ab, die Stelle des "hauptamtlichen Ersten Stadtrates" abzuschaffen, ohne jedoch den Fokus auf die "Hauptamtlichkeit" der Stelle zu legen, wie dies etwa durch Kursiv- oder Fettdruck des Wortes "hauptamtlich" hätte erreicht werden können. Für den mit der Hessischen Gemeindeordnung nicht sonderlich vertrauten Bürger erschließe sich deshalb aus der Begründung nicht, dass bei Wegfall der Stelle des "hauptamtlichen" Ersten Stadtrates ein "ehrenamtlicher" Erster Stadtrat dessen Aufgaben wahrzunehmen habe, wodurch ebenfalls Kosten verursacht würden. Auch wenn diese wahrscheinlich unter denen liegen dürften, die für einen "hauptamtlichen" Ersten Stadtrat anfallen, falle die mit der beabsichtigten Änderung gewünschte Kostenersparnis jedenfalls nicht so hoch aus, wie es die Formulierung nahelege. Der Beschluss ist unanfechtbar und damit rechtskräftig.

VGH Hessen, Beschluss vom 21.01.2020 - 8 B 2370/19

Redaktion beck-aktuell, 27. Januar 2020.