Planfeststellungsbeschluss war vorab Gegenstand von elf Musterverfahren
Das Land Hessen, vertreten durch das Ministerium für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung, hatte mit Beschluss vom 18.12.2007 die Pläne für den Ausbau des Flughafens Frankfurt Main festgestellt. Dieses Ausbauvorhaben umfasst neben der Errichtung der Landebahn Nordwest den mittlerweile begonnenen Bau eines dritten Terminals, ein neu strukturiertes Fracht- und Wartungszentrum sowie den Ausbau der umliegenden öffentlichen Straßen. Über den Planfeststellungsbeschluss vom 18.12.2007 wurden elf Verwaltungsstreitverfahren als Musterverfahren vorab vor dem Hessischen VGH durchgeführt. Die weiteren Verfahren waren bis zum rechtskräftigen Abschluss dieser Musterverfahren ausgesetzt worden, darunter auch das Klageverfahren der Landeshauptstadt Mainz.
BVerwG verpflichtet Hessen zu Neuentscheidung über Nachtflüge
Gegen die in diesen Musterverfahren ergangenen Urteile des Hessischen VGH vom 21.08.2009 wurden sowohl von Kommunen, Privatklägern und einem Klinikum als auch vom Land Hessen in acht Verfahren Revisionen zum Bundesverwaltungsgericht eingelegt. Mit Urteil vom 04.04.2012 verpflichtete das BVerwG das Land Hessen unter Abänderung der Urteile des Hessischen VGH, über die Zulassung planmäßiger Flugbewegungen zwischen 22.00 und 06.00 Uhr, soweit diese bezogen auf das Kalenderjahr durchschnittlich 133 Flugbewegungen je Nacht übersteigen, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden (NVwZ 2012, 1314).
Hessen änderte Planfeststellungsbeschluss
Zur Umsetzung dieses Urteils änderte das Land Hessen mit Datum vom 29.05.2012 den Planfeststellungsbeschluss vom 18.12.2007 wie folgt ab: "Für die beiden Nachtrandstunden von 22.00 bis 23.00 Uhr und von 05.00 bis 06.00 Uhr sind auf dem Flughafen Frankfurt Main nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen insgesamt durchschnittlich 133 planmäßige Flugbewegungen pro Nacht zulässig. Der Durchschnittswert darf jeweils bezogen auf das Kalenderjahr nicht überschritten werden. Der Flughafenkoordinator darf kalenderjährlich nicht mehr als 48.545 Zeitnischen (Slots) für Flugbewegungen zwischen 22.00 und 23.00 Uhr sowie 05:00 und 06:00 Uhr zuweisen." Daneben hat der Planfeststellungsbeschluss vom 18.12.2007 seither noch weitere Änderungen erfahren, unter anderem hinsichtlich eines neuen Schallschutzkonzepts in Bezug auf gewerbliche Nutzungen, Schutzvorkehrungen gegen Wirbelschleppenrisiken und einer Umgestaltung des Terminals 3.
Klageverfahren der Landeshauptstadt Mainz dann fortgesetzt
Nach Zurückweisung der eingelegten Nichtzulassungsbeschwerde in dem letzten noch anhängigen Musterverfahren durch Beschluss des BVerwG vom 16.01.2013 (ZfBR 2013, 363) hat der Hessische VGH das bis dahin ausgesetzt gewesene Klageverfahren der Landeshauptstadt Mainz fortgesetzt. In diese Klage einbezogen wurde von der Landeshauptstadt Mainz die vorstehend wiedergegebene Änderung der Flugbetriebsbeschränkungen aus dem Bescheid des Landes Hessen vom 29.05.2012 und die vom Land mit Änderungsbeschlüssen verfügten Ergänzungen zu den Bestimmungen bezüglich der sogenannten Wirbelschleppen. Mit einem Teil-Beschluss vom 06.10.2015 hat der Hessische VGH einige der zahlreichen von der Landeshauptstadt Mainz gestellten Klageanträge – vorab – entschieden und diese Anträge abgelehnt. Dieser Teil-Beschluss ist nach Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde durch das BVerwG mit Beschluss vom 04.05.2017 (BeckRS 2017, 112035) rechtskräftig geworden.
Landeshauptstadt Mainz verlangt umfassendes Start- und Landeverbot in der Nachtzeit
Nachdem die Beteiligten daraufhin den Rechtsstreit teilweise in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, verfolgt die Landeshauptstadt Mainz mit dem noch anhängigen Teil ihrer ursprünglichen Klage nunmehr das Ziel, den Planfeststellungsbeschluss zum Ausbau des Flughafens Frankfurt Main dahin zu ändern, dass nach der Inbetriebnahme der Landebahn Nordwest auf dem gesamten Start- und Landebahnsystem des Flughafens Frankfurt Main an allen Wochentagen in der Zeit von 22.00 bis 06.00 Uhr keine Luftfahrzeuge starten oder landen dürfen beziehungsweise dass die Lärmimmissionen in den sogenannten Nachtrandstunden von 22.00 bis 23.00 Uhr und von 05.00 bis 06.00 Uhr durch weitere Betriebsbeschränkungen beziehungsweise durch geeignete Maßnahmen reduziert werden.
VGH Kassel verweist auf Musterverfahren
Diese Anträge blieben ohne Erfolg. Zur Begründung seines ohne mündliche Verhandlung ergangenen Beschlusses verweist der Hessische VGH auf die Gründe in den Musterverfahren und die danach unbeanstandet gebliebene Lärmermittlung und -bewertung für das mit dem Planfeststellungsbeschluss vom 18.12.2007 abgewogene Lärmkonzept. Gegenüber diesen Verfahren zeige die Klagebegründung der Landeshauptstadt Mainz weder einen in den Musterverfahren ungeklärt gebliebenen Sachverhalt noch rechtliche oder tatsächliche Besonderheiten ihres – bezogen auf die Musterverfahren – sogenannten Nachverfahrens auf, die einer Übertragung der in den Musterverfahren getroffenen Feststellungen und Entscheidungen entgegenstehen könnten.
Neuere Studien belegen Ungeeignetheit der Auslöse- und Grenzwerte des Fluglärmschutzgesetzes nicht
Ergänzend hierzu führt der Hessische VGH zur Begründung im Wesentlichen weiter aus, die von der Landeshauptstadt Mainz in Bezug genommenen neueren Aussagen und Studien über die Wirkungen von Fluglärm gingen nicht über die vom Fluglärmschutzgesetz berücksichtigten wissenschaftlichen Erkenntnisse hinaus. Dies gelte sowohl für die vorgelegte Pressemitteilung der Deutschen Herzstiftung und die darin enthaltene Aussage von Thomas Münzel zu den vom nächtlichen Fluglärm ausgehenden Gesundheitsgefahren als auch für die Studie von Münzel vom 07.07.2013. Schließlich ergäben sich aus der sogenannten NORAH-Studie ebenfalls keine Anhaltspunkte für eine evidente Ungeeignetheit der Auslöse- und Grenzwerte des Fluglärmschutzgesetzes aufgrund eines neuen wissenschaftlichen Erkenntnisstandes über schon weit vor Erreichen dieser Lärmwerte drohende Gesundheitsgefahren.
Nichtzulassungsbeschwerde möglich
Der VGH Kassel hat die Revision gegen seinen Beschluss nicht zugelassen. Gegen die Nichtzulassung der Revision ist die Beschwerde möglich, über die das Bundesverwaltungsgericht zu entscheiden hätte.