AfD wehrt sich erfolgreich gegen Angaben zum “Flügel“ im Hessischen Verfassungsschutzbericht 2019

Das Land Hessen muss bestimmte Angaben zum AfD-“Flügel“ im Hessischen Verfassungsschutzbericht 2019 löschen und per Pressemitteilung richtigstellen. Das hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof in Kassel als Beschwerdeinstanz in einem Eilverfahren entschieden. Das im Bericht genannte Personenpotenzial der Gruppierung von "bis zu 600" im Bundesland sei nicht plausibel, so das Gericht.

Ausführungen zum AfD-“Flügel“ im Hessischen Verfassungsschutzbericht 2019

Der “Flügel“ wird in dem vom Hessischen Ministerium des Inneren und für Sport herausgegebenen Verfassungsschutzbericht 2019 als größte Teilorganisation der AfD und als “zentral organisierter, loser Verbund“ von Mitgliedern im gesamten Bundesgebiet charakterisiert. Am 15.01.2019 wurde er vom Bundesamt für Verfassungsschutz als Verdachtsfall und in der Folge vom Landesamt für Verfassungsschutz Hessen dementsprechend als Beobachtungsobjekt eingestuft. In dem Verfassungsschutzbericht 2019 wird auf diversen Seiten unter anderem ausgeführt, dass der “Flügel“ in Hessen 2019 ein - teilweise geschätztes/gerundetes - rechtsextremistisches Personenpotenzial "von bis zu 600" Personen gehabt habe.

VGH gibt AfD-Antrag auf vorläufige Löschung statt

Der Verwaltungsgerichtshof hat dem Antrag der AfD auf vorläufige Löschung der von ihr gerügten Berichterstattung zum “Flügel“ weitgehend entsprochen und zur Begründung ausgeführt, dass die Berichterstattung teilweise nicht von der Ermächtigungsgrundlage des § 2 Abs. 1 Satz 4 HVSG gedeckt und die Antragstellerin dadurch in ihrem Recht aus Art. 3 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 21 Abs. 1 GG, gleichberechtigt am Prozess der Meinungs- und Willensbildung des Volkes teilzunehmen, sowie in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 19 Abs. 3 GG verletzt ist.

Im Bericht genanntes Personenpotenzial der Gruppierung nicht plausibel

Die Angabe des Personenpotenzials einer potenziell extremistischen Gruppierung sei ein maßgeblicher Teil der Berichterstattung im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 4 HVSG. Werden in dem Verfassungsschutzbericht Zahlenwerte genannt, bedürfe es dafür gewichtiger tatsächlicher Anhaltspunkte. Für das dem “Flügel“ in dem Verfassungsschutzbericht für 2019 zugeordnete Personenpotenzial von “600“ oder “bis zu 600“ hätten solche Anhaltspunkte nicht vorgelegen. Der angegebene Wert, der auch für die Einordnung der Gruppierung und die Außenwirkung maßgeblich sei, halte einer Plausibilitätskontrolle nicht stand.

“Flügel“ in Hessen nur wenig präsent

Die vom Verfassungsschutz für seine Schätzung zuvorderst herangezogenen öffentlichen Aussagen der (vormaligen) Bundesparteispitze der AfD zu dem bundesweiten Personenpotenzial des “Flügels“ würden keine ausreichenden Rückschlüsse für die Bewertung des hessischen Landesverbands der Antragstellerin zulassen. Hierfür hätte es zusätzlicher landesspezifischer Anhaltspunkte bedurft, die jedoch nicht ersichtlich seien. Insbesondere sei dem Verfassungsschutzbericht zu entnehmen, dass der “Flügel“ in Hessen 2019 aufgrund seiner gering ausgeprägten Strukturen und seiner fehlenden Präsenzen in den sozialen Medien in seiner Außenwirkung stark begrenzt gewesen sei.

VGH Kassel, Beschluss vom 03.03.2021 - 7 B 190/21

Redaktion beck-aktuell, 4. März 2021.