"Sonntagsfrage" darf auch Briefwählenden gestellt werden

Meinungsforschungsinstitute dürfen auch Briefwählerinnen und Briefwählern nach deren Stimmabgabe die sogenannte Sonntagsfrage stellen. Das hat das Verwaltungsgericht Wiesbaden am Donnerstag auf Eilantrag des Meinungsforschungsinstituts Forsa gegen den Bundeswahlleiter entschieden. In der Veröffentlichung der Ergebnisse dieser Befragungen liege kein Verstoß gegen das Bundeswahlgesetz, so das Gericht.

Bundeswahlleiter drohte mit Bußgeld in Höhe von 50.000 Euro

Umfrageinstitute fragen regelmäßig zufällig ausgesuchte Bürgerinnen und Bürger: "Wenn am Sonntag Bundestagswahl wäre, wen würden sie wählen?" Forsa fragt dabei auch, ob jemand schon per Brief gewählt hat und wenn ja, wen. Das Stimmverhalten der Briefwählerinnen und Briefwähler fließt in die Umfrageergebnisse ein, wird aber nicht getrennt ausgewiesen. Der Bundeswahlleiter hatte Forsa und andere Meinungsforschungsinstitute unter Androhung eines Bußgelds von 50.000 Euro gebeten, keine Umfragen zu veröffentlichen, in die die Antworten von Briefwählern einfließen. Das verstoße gegen § 32 BWahlG, wonach die Veröffentlichung von Wahlumfragen nach Stimmabgabe der Befragten unzulässig ist.

VG: Freiheit der Berichterstattung erlaubt Veröffentlichung

Das Gericht gab Forsa recht: Die Veröffentlichung von Wahlumfragen sei durch die Grundrechte der Antragstellerin geschützt. Ein Veröffentlichungsverbot beeinträchtige die Freiheit der Berichterstattung. Die Veröffentlichung von Wahlumfragen gehöre zum politischen und demokratischen Prozess und sei ein zulässiger Beitrag zum öffentlichen Diskurs gerade im Vorfeld einer Wahl. Gegen den Beschluss können die Beteiligten binnen zwei Wochen Beschwerde einlegen, über die der Hessische Verwaltungsgerichtshof in Kassel zu entscheiden hätte. Die Feststellung gilt bis zur Entscheidung der Kammer über die in der Hauptsache erhobene Feststellungsklage von Forsa.

Bundeswahlleiter legt Beschwerde ein

Der Bundeswahlleiter teilte am Freitag mit den Beschluss zur Kenntnis genommen zu haben. Aus seiner Sicht stelle die Veröffentlichung von Umfragen vor Ablauf der Wahlzeit einen Verstoß gegen § 32 Abs. 2 BWahlG dar, wenn Briefwählerinnen und Briefwählern nicht nur nach ihrer Wahlabsicht, sondern nach ihrer Wahlentscheidung gefragt werden, also ob sie schon und wie sie gewählt haben. Er habe daher beim Hessischen Verwaltungsgerichtshof Beschwerde gegen die Entscheidung des VG Wiesbaden eingelegt.

VG Wiesbaden, Beschluss vom 16.09.2021 - 6 L 1174/21

Redaktion beck-aktuell, 17. September 2021 (dpa).