Islamunterricht an hessischen Schulen: Land muss weiter mit DITIB kooperieren

Der Verein Islamische Religionsgemeinschaft DITIB Hessen hat Anspruch darauf, dass an Schulen in Hessen in Kooperation mit ihm islamischer Religionsunterricht stattfindet. Dies hat das Verwaltungsgericht Wiesbaden im Juli entschieden und nun die ausführliche schriftliche Urteilsbegründung vorgelegt. Für die Aussetzung des bekenntnisorientierten Islamunterrichts in Kooperation mit DITIB hat es danach keine Rechtsgrundlage gegeben.

DITIB begehrte Fortsetzung der Kooperation 

Auf der Basis eines Bescheides des Hessischen Kultusministeriums vom 17.12.2012 wurde in Hessen mit Wirkung ab dem Schuljahr 2013/2014 ein bekenntnisorientierter islamischer Religionsunterricht in Kooperation mit DITIB Hessen als ordentliches Lehrfach eingerichtet. Im April 2020 gab das Hessische Kultusministerium per Pressemitteilung bekannt, dass die Vollziehung des Bescheides von 2012 zur Einrichtung eines bekenntnisorientierten islamischen Religionsunterrichts in Kooperation mit DITIB zum Ende des laufenden Schuljahres ausgesetzt werde. Der DITIB begehrte mit seiner Klage, dass wieder islamischer Religionsunterricht in Kooperation mit ihm erfolge.

VG: Anspruch auf Kooperation aus Bescheid von 2012

Das VG hat der Klage stattgegeben. Der DITIB habe einen Anspruch darauf, dass in Kooperation mit ihm islamischer Religionsunterricht stattfinde. Dieser Anspruch ergebe sich aus dem Bescheid vom 17.12.2012. Zwar sei in diesem Bescheid nicht die konkrete Art und Weise der Umsetzung der Kooperation geregelt. Unzweifelhaft ergebe sich hieraus aber, dass der staatliche bekenntnisorientierte Religionsunterricht in Kooperation mit DITIB stattfindet. Es bestehe insoweit ein Anspruch auf aktive Kooperation. In welchem Umfang, also insbesondere an wie vielen und an welchen Schulen der Religionsunterricht stattfinde, habe der Beklagte nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden.

Keine Rechtsgrundlage für Aussetzung des Islamunterrichts

An diesem Ergebnis ändere insbesondere die Presseinformation nichts, in der bekannt gegeben worden sei, dass der islamische Religionsunterricht in Zusammenarbeit mit DITIB nicht mehr erteilt wird. Denn diese vollständige Aussetzung der Vollziehung des Bescheides vom 17.12.2012 stelle ein den Kläger belastendes Verwaltungshandeln dar, das einer Rechtsgrundlage bedürfe. Eine solche Rechtsgrundlage sei nicht ersichtlich, sodass das Vorgehen des Beklagten rechtswidrig ist.

Rechtswidrige Umgehung von Rücknahme und Widerruf

Der Beklagte habe den Bescheid nicht widerrufen. Die Aussetzung führe den faktisch gleichen Zustand herbei, der bei einem Widerruf eingetreten wäre, namentlich, dass der Unterricht nicht mehr stattfindet. Bei der Aussetzung würden dem Kläger aber die Rechte und Schutzmechanismen genommen werden, die ein Widerruf ausgelöst hätte. Das allgemeine Verwaltungsrecht regle abschließend, wie ein begünstigender Verwaltungsakt aufgehoben werden könne. Ein Rückgriff auf nicht näher benannte "allgemeine Grundsätze des Verwaltungsverfahrens", durch die die Normen des HVwVfG, insbesondere die Regelungen zu Rücknahme und Widerruf, umgangen würden, sei rechtswidrig. Auch der Bescheid vom 17.12.2012 selbst sehe keine Aussetzung des Religionsunterrichts vor. Durch die Aussetzung sei die Kooperation mit dem Kläger vollständig rückgängig gemacht worden. Dies sei nicht mehr von dem Bescheid gedeckt. Denn solange der Verwaltungsakt wirksam sei, müsse er schon dem reinen Wortsinn nach auch eine Wirkung entfalten.

VG Wiesbaden, Urteil vom 02.07.2021 - 6 K 1234/20

Redaktion beck-aktuell, 4. August 2021.