VG Wiesbaden: Nach Missbrauch des Dienstausweises darf Polizeikommissar-Anwärter Dienstgeschäfte nicht führen

Das Verwaltungsgericht Wiesbaden hat im Eilverfahren ein gegenüber einem Polizeikommissar-Anwärter ausgesprochenes Verbot der Führung der Dienstgeschäfte mit Beschluss vom 01.02.2019 bestätigt. Dem Anwärter wird vorgeworfen, privat seinen Dienstausweis missbraucht zu haben, um unter anderem seine Freundin aus einem Polizeikessel zu führen (Az.: 3 L 1141/18.WI).

Polizeikommissar-Anwärter missbrauchte Dienstausweis für Zugang zu Polizeikessel

Dem Antragsteller wird vorgeworfen, er habe sich im Rahmen eines Polizeieinsatzes nach Beendigung des Schlossgrabenfestes in Darmstadt unter Verwendung seines Dienstausweises und des Kennwortes für Zivilkräfte Zugang in einen polizeilich abgesperrten Bereich verschafft und dann versucht, mit seiner Freundin und weiteren Personen aus der Polizeiabsperrung heraus zu gelangen, obwohl er nicht im Dienst war.

Polizeiakademie untersagte Führung der Dienstgeschäfte

Die Polizeiakademie Hessen, an der der Antragsteller noch studiert, leitete daraufhin ein Disziplinarverfahren gegen den Polizeikommissar-Anwärter ein und setzte dieses sofort bis zum Abschluss eines sachgleichen strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens wegen schweren Landfriedensbruchs, Amtsanmaßung, versuchter Gefangenenbefreiung sowie Verstößen gegen das Waffengesetz und Versammlungsgesetz wieder aus. Zugleich wurde dem Antragsteller durch die Polizeiakademie Hessen die Führung seiner Dienstgeschäfte verboten, das Führen von Dienstwaffen untersagt, das Betreten der Liegenschaften der hessischen Polizei verboten und die Rückgabe der in seinem Besitz befindlichen Ausrüstungsgegenstände nebst seinem Dienstausweis angeordnet. Dagegen begehrte der Antragsteller Eilrechtsschutz.

VG: Verbot aus zwingenden dienstlichen Gründen gerechtfertigt – Gefahr eines Ansehensverlusts der Polizei  

Der Eilantrag hatte keinen Erfolg. Nach Auffassung des VG liegen zwingende dienstliche Gründe vor, aus denen dem Antragsteller die Führung der Dienstgeschäfte zu Recht verboten worden sei. Dabei komme es nicht auf ein vorwerfbares Fehlverhalten des Beamten an, sondern auf die objektive Gefährdung des Dienstes bei weiterer Ausübung des Dienstes durch den Beamten. Vorliegend stehe bereits im Hinblick auf die Einlassungen des Antragstellers ein Verstoß gegen seine beamtenrechtliche Wohlverhaltenspflicht und Pflicht zur Uneigennützigkeit sowie der hinreichend begründete Verdacht der Begehung von Straftaten durch einen Versuch des Antragstellers im Raum, unter Verwendung seines Dienstausweises und des Kennwortes für Zivilkräfte zusammen mit Begleitpersonen aus einer Einkesselung zu gelangen. Diese Umstände seien geeignet, zu einem Ansehensverlust der Polizei zu führen.

Weitere dienstliche Zusammenarbeit vorerst nicht zumutbar

Wie das VG erläutert, könnte die weitere Führung von Dienstgeschäften und auch der Verbleib des Antragstellers in der Ausbildung bis zum Schluss der Ermittlungen den Eindruck erwecken, die hessische Landespolizei dulde in ihren Reihen Polizeikommissar-Anwärter, die sich der Begehung von Straftaten verdächtig gemacht haben oder bilde Beamte aus, von den potenziell die Gefahr ausgeht, dass sie ihr im Rahmen der Ausbildung erworbenes polizeitaktisches Wissen unter Verwendung ihres Dienstausweises zu privaten Zwecken zu ihrem eigenen Vorteil nutzen. Bei dieser Sachlage sei der Polizeiakademie Hessen eine weitere dienstliche Zusammenarbeit mit dem Antragsteller bis zur vorläufigen Klärung des bestehenden Verdachts nicht zuzumuten. 

Verbot auch verhältnismäßig

Die Maßnahme sei auch nicht deshalb unverhältnismäßig, weil der Antragsteller nunmehr durch das Verbot der Führung der Dienstgeschäfte auch an dem Fortlauf seines Studiums gehindert sei, so das VG weiter. Die Gründe, die für das Verbot der Führung der Dienstgeschäfte sprächen, beträfen nicht nur die Ausbildung des Antragstellers. Polizeikommissar-Anwärter seien auch Dienstwaffenträger und würden bereits während ihrer Ausbildung im Rahmen von Praktika zur Verfolgung von Straftaten eingesetzt.

Beschränkung des Verbots als mildere Maßnahme nicht möglich

Laut VG kommt eine Beschränkung des Verbots der Führung der Dienstgeschäfte auf die Teilnahme an sonstigen Ausbildungsveranstaltungen, also solchen ohne Dienstwaffe und ohne Außenkontakte, als weniger belastendes Mittel nicht in Betracht, weil in diesem Fall angesichts der derzeit nicht feststehenden charakterlichen Eignung des Antragstellers für den Polizeiberuf möglicherweise polizeiliches Wissen, das nicht für Außenstehende bestimmt sei, in die falschen Hände geraten könnte.

VG Wiesbaden, Beschluss vom 01.02.2019 - 3 L 1141/18

Redaktion beck-aktuell, 4. Februar 2019.

Mehr zum Thema