VG Stuttgart: Wohnsiedlung "Aspen" in Stuttgart bleibt Kulturdenkmal

Die Siedlung Aspen in Stuttgart-Botnang bleibt auch weiterhin Kulturdenkmal im Sinne des § 2 Denkmalschutzgesetz Baden-Württemberg. Dies geht aus einem Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 18.01.2017 hervor, mit dem die Klage der Wohnungseigentümer gegen eine entsprechende Feststellung der Landeshauptstadt Stuttgart abgewiesen wurde. Bei der Siedlung handele es sich mit sämtlichen Gebäuden, Privatgärten, Grün- und Freiflächen um eine Sachgesamtheit, an deren Erhaltung aus wissenschaftlichen und künstlerischen Gründen ein öffentliches Interesse bestehe (Az.: 13 K 1240/14).

Gericht beruft sich auf wissenschaftliche Gründe

Für die Erhaltung der Siedlung Aspen sprächen insbesondere wissenschaftliche Gründe, so das VG. Sie weise einige lagebedingte und gestalterische Besonderheiten auf, die sie als eine exklusive Siedlungsform mit einigen ungewöhnlichen Lösungsansätzen zur Erhöhung der Wohnqualität qualifizierten. So sei mit der Siedlung das planerische Ziel verfolgt worden, eine Wohnanlage für gehobene Ansprüche zu realisieren, deren Wohnungen und Häuser zunächst überwiegend höheren Staatsbediensteten (Professoren, Beamte des höheren und gehobenen Dienstes, etc.) angeboten worden seien. Durch die Wahl des Standorts in einer Waldlichtung und die Schaffung einer inselartigen, in sich geschlossenen Siedlungseinheit ohne Durchgangsverkehr, sollte ein qualitätsvoller und hochwertiger Wohnstandort in einer ruhigen und naturnahen Lage geschaffen werden.

Dokumentarische Bedeutung für Geschichte des Siedlungsbaus

Bei der Gestaltung der Wohneinheiten habe die Idee der Wohnung als Raum individueller Entfaltung im Vordergrund gestanden. Bei der Anordnung der Wohneinheiten und der Grün- und Gartenflächen sei besonderer Wert auf ein hohes Maß an Privatsphäre gelegt worden. Durch diese Besonderheiten unterscheide sich die Siedlung von den typischen Erscheinungsformen und den durchschnittlichen architektonischen Gepflogenheiten anderer städtischer Reihenhaussiedlungen der 1960er und 1970er Jahre erheblich. Diese Ausnahmestellung rechtfertige es, ihr eine dokumentarische Bedeutung für die Geschichte des Siedlungsbaus dieser Epoche (sogenannte Nachkriegsmoderne zwischen 1960 und circa 1973) und einen besonderen wissenschaftlichen Aussagewert für die Siedlungsbaugeschichte beizumessen.

Siedlung auch künstlerisch bedeutsam

Die Siedlung Aspen sei zudem künstlerisch bedeutsam. Die ihr zu Grunde liegende Plankonzeption weise jedenfalls eine gesteigerte gestalterische und damit auch künstlerische Qualität auf, die sie als etwas "nicht Alltägliches" aus dem Kreis der für ihre Zeit typischen Wohnsiedlungen heraushebe.

Erhaltungswürdigkeit offensichtlich

An der Erhaltung der Siedlung Aspen bestehe auch ein öffentliches Interesse, weil die Denkmaleigenschaft der Siedlung und die Notwendigkeit ihrer Erhaltung in das Bewusstsein eines breiten Kreises von Sachverständigen eingegangen seien, so das Gericht weiter. Insoweit komme es weder darauf an, ob sich bereits eine Mehrzahl von Sachverständigen tatsächlich für deren Erhaltung ausgesprochen habe, noch darauf, dass sie bereits Gegenstand von Lehrveranstaltungen oder wissenschaftlichen Betrachtungen gewesen sei oder in Architekturführern ausdrücklich erwähnt werde. Ausreichend sei vielmehr, dass ihre Erhaltungswürdigkeit so offensichtlich sei, dass diese nicht nur eingeschränkt und von einzelnen Sachverständigen bejaht werden müsste, sondern uneingeschränkt von der großen Mehrheit der Sachverständigen. Dies sei hier der Fall.

Auch Gegenstände aus neuerer Zeit können Kulturdenkmal sein

Dem Einwand der Kläger, die Siedlung Aspen könne wegen ihres geringen Alters bereits begrifflich nicht als Denkmal eingestuft werden, ist das Gericht nicht gefolgt. Das baden-württembergische Denkmalschutzrecht setze gerade nicht ausdrücklich voraus, dass es sich um Gegenstände aus "vergangener Zeit" handeln müsse, weshalb auch Gegenstände aus neuerer Zeit ein Kulturdenkmal sein könnten. Aber selbst wenn man davon ausgehe, dass dem Denkmalbegriff eine gewisse "Zeitgrenze" immanent sei, dürfte diese in der Regel eingehalten sein, wenn die Errichtung des betreffenden Bauwerks wenigstens eine Generation (30 Jahre) zurück liege. Dieses Alter weise die Siedlung offensichtlich auf.

Geringe Abweichungen bei Grünflächen stellen Konzept nicht in Frage

Auch die geltend gemachten Abweichungen bei der Gestaltung beziehungsweise Bepflanzung der Grünflächen seien nicht geeignet, die Denkmaleigenschaft und Denkmalwürdigkeit der Siedlung als Sachgesamtheit in Frage zu stellen. Diese Abweichungen beträfen lediglich einzelne Details und seien nicht von einem solchen Ausmaß, dass die wesentlichen Gestaltungselemente des ursprünglichen Planungskonzepts nicht mehr erkennbar wären.

VG Stuttgart, Urteil vom 18.01.2017 - 13 K 1240/14

Redaktion beck-aktuell, 10. Februar 2017.

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