Examenskandidaten müssen Strafrechtsklausur wiederholen

Zwei baden-württembergische Examenskandidatinnen, die die Bewertung ihrer Strafrechtsklausur erreichen und eine Wiederholung der Klausur verhindern wollten, sind damit vor dem Verwaltungsgericht Stuttgart erfolglos geblieben. Es lägen ausreichende Anhaltspunkte dafür vor, dass Teile des Prüfungsgegenstands einer unbestimmten Anzahl von Prüflingen unterschiedlichster Universitäten des Landes bekannt gewesen seien, begründet das Gericht seine Ablehnung.

Antrag auf Bewertung bereits unzulässig

Der Antrag auf Bewertung der bereits am 04.03.2021 geschriebenen Strafrechtsklausur und Einbeziehung dieser in die Gesamtbewertung der ersten juristischen Prüfung sei bereits unzulässig, da er auf eine Vorwegnahme der Hauptsache gerichtet sei, so das VG. Es sei nicht ersichtlich, weshalb es für die Antragstellerinnen unzumutbar wäre, eine Entscheidung über die – noch nicht erhobene – Klage abzuwarten. Soweit die Antragstellerinnen die vorläufige Aufhebung des Wiederholungstermins für die Strafrechtsklausur am 19.04.2021 begehren, machten sie keinen Anordnungsanspruch glaubhaft.

Prüfungsamt kann Verfahrensfehler bei Prüfung heilen

Nach § 25 Abs. 1 Satz 1 JAPrO könne das Landesjustizprüfungsamt Beeinträchtigungen des Prüfungsablaufs oder sonstige Verfahrensfehler von Amts wegen oder auf Antrag eines Prüflings durch geeignete Maßnahmen oder Anordnungen heilen. Es könne insbesondere anordnen, dass Prüfungsleistungen von einzelnen oder von allen Prüflingen zu wiederholen seien, oder bei Verletzung der Chancengleichheit eine Schreibverlängerung oder eine andere angemessene Ausgleichsmaßnahme verfügen. Ein derartiger erheblicher Verfahrensmangel, der zur Wiederholung der Prüfungsleistung von allen Prüflingen führen müsse, liege jedenfalls dann vor, wenn die Prüfungsaufgaben einer nicht feststellbaren Vielzahl von Prüflingen vor dem Prüfungstag bekannt geworden seien.

Chancengleichheit der Prüflinge zu gewährleisten

Von einem derartigen erheblichen Verfahrensmangel sei nach dem von Seiten des Antragsgegners übersandten Verwaltungsvorgang mit überwiegender Wahrscheinlichkeit auszugehen, meint das VG. Es lägen hinreichend konkrete Anhaltspunkte dafür vor, dass Teile des Prüfungsgegenstands für die am 04.03.2021 durchgeführte Strafrechtsklausur bereits vor dem Prüfungstag einer unbestimmten Anzahl von Prüflingen unterschiedlichster Universitäten des Landes bekannt geworden seien. Damit sei ein ordnungsgemäßes Prüfungsverfahren für die bereits geschriebene Strafrechtsklausur nicht mehr gesichert gewesen. Vor diesem Hintergrund sei zur Wahrung der durch Art. 12 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 GG gewährleisteten Chancengleichheit der Prüflinge die Entscheidung des Antragsgegners, die Strafrechtsklausur insgesamt wiederholen zu lassen, nicht ermessensfehlerhaft.

Am 01.03.2021 falsche Klausur ausgeteilt

So sei aufgrund der Stellungnahme der für die Universität Konstanz zuständigen Aufsichtspersonen und einer Amtsinspektorin vom 12.03.2021 mit überwiegender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass am 01.03.2021, als eigentlich die öffentlich-rechtliche Klausur geschrieben werden sollte, jedenfalls ein Examenskandidat in Konstanz den Sachverhalt umgedreht und gemerkt habe, dass es sich um die Strafrechtsklausur gehandelt habe, welche eigentlich erst am 04.03.2021 geschrieben werden sollte.

Inhalt der Strafrechtsklausur verbreitete sich unter Examenskandidaten

Angesichts des anonymen Hinweises einer "ehemaligen baden-württembergischen Examenskandidatin" vom 10.03.2021 an das Landesjustizprüfungsamt sei zudem ebenfalls mit überwiegender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass es sich unter den Examenskandidaten in Baden-Württemberg verbreitet haben musste, dass es bei der dann am 04.03.2021 gestellten Strafrechtsklausur um Urkundendelikte gehen werde. Denn diese ehemalige Examenskandidatin habe dem Landesjustizprüfungsamt mitgeteilt, dass in Konstanz anstelle der öffentlich-rechtlichen Klausur die Strafrechtsklausur ausgeteilt worden sei, sodass alle Examenskandidaten im betreffenden Raum bereits Zeit gehabt hätten, den Sachverhalt zur Kenntnis zu nehmen und zu erkennen, dass es um Urkundendelikte gehen würde. Nachdem dieses Versehen der Aufsicht von einem Examenskandidaten aufgedeckt worden sei, habe die Aufsicht den Vorfall offenbar nicht gemeldet, sodass keine Ersatzklausur, sondern die bereits ausgeteilte Klausur gestellt worden sei.

VG Stuttgart, Beschluss vom 06.04.2021

Redaktion beck-aktuell, 7. April 2021.