"Camp für Agrarwende 2021" ist Versammlung

Ein für Mitte Juli im Landkreis Vechta geplantes "Camp für Agrarwende 2021" steht unter dem Schutz des Versammlungsrechts. Dies hat das Verwaltungsgericht Oldenburg in einem Eilverfahren entschieden und damit einem Feststellungsbescheid des Landkreises widersprochen. Das Camp diene nicht nur der Unterbringung und der Kommunikation der Teilnehmer. Vielmehr seien die Zelte in der Gesamtschau als Teil der Proteste im Sinne einer Dauermahnwache anzusehen.

Zeltstadtähnliche Veranstaltung gegen industrielle Tierwirtschaft geplant

Der Antragsteller plant in der Gemeinde Goldenstedt im Landkreis Vechta in der Zeit vom 12. bis 17.07.2021 eine zeltstadtähnliche Veranstaltung mit Übernachtung und Versorgung von etwa 500 Teilnehmern, die sich inhaltlich gegen die "Verantwortung der industriellen Tierwirtschaft für vielfältige soziale, tierethische und ökologische Problemlagen sowie...Klimaveränderungen" richtet. Die Versorgung der zu einem großen Teil in Zelten unterzubringenden Teilnehmer (circa 300 Personen) erfolge durch eine Feldküche. Wasserversorgung, Toilettenkabinen und Waschgelegenheiten würden bereitgestellt, ferner ein großflächiges Zirkuszelt aufgebaut. Hinzu kämen 20 Versorgungs-, Funktions- und Veranstaltungszelte, eine stationäre Lautsprecheranlage sowie mehrere Megafone, ein Anhänger und mehrere Solarpaneele sowie ein Notfallstromgenerator.

Landkreis versagt Veranstaltung Schutz als Versammlung

Der Landkreis Vechta hat mit Bescheid vom 06.07.2021 festgestellt, dass es sich bei der angezeigten Veranstaltung nicht um eine Versammlung im Sinne des niedersächsischen Versammlungsgesetzes handele und die Veranstaltung somit nicht vom Versammlungsrecht gedeckt sei. Allein die räumliche Nähe zu im Kreisgebiet ansässigen Unternehmen, gegen welche sich die Veranstaltung richte, reiche zur Begründung des Camps zur Meinungsäußerung nicht aus. Das Camp diene damit nicht der Meinungskundgabe, sondern der Unterbringung und der Kommunikation der Teilnehmer. Dieses Anliegen unterfalle jedoch gerade nicht dem Schutz der Versammlungsfreiheit, deren Zweck die nach außen gerichtete, gemeinsame freie Meinungsbetätigung sei. Ein "Schlaferfordernis" der Teilnehmer sei auch nicht notwendig; diese könnten auch von anderen Orten anreisen und sich zu Aktionen treffen.

VG geht von unter Schutz des Art. 8 Abs. 1 GG stehender Dauermahnwache aus

Das VG Oldenburg hat im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig festgestellt, dass die vom Antragsteller angezeigte Veranstaltung eine Versammlung im Sinne des Art. 8 Abs. 1 GG darstellt. Es sei überwiegend wahrscheinlich, dass die Veranstaltung als Versammlung im Sinne des Art. 8 Abs. 1 GG anzusehen sei. Es sei davon auszugehen, dass den Anlagen zumindest teilweise eine funktionale und symbolische Bedeutung für das Versammlungsthema zukomme, also die Zelte in der Gesamtschau als Teil der Proteste im Sinne einer Dauermahnwache anzusehen seien. Für diese Annahme spreche etwa der gewählte Standort im Umfeld des größten deutschen Geflügelfleischproduzenten und die mögliche Nutzung der Zelte für Workshops und den Austausch mit der lokalen Bevölkerung. Diese Art Kundgebungsmittel durch das geplante Biwak weise einen erkennbaren inhaltlichen Bezug zur kollektiven Meinungskundgabe auf.

Beschwerde gegen Eilentscheidung möglich

Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig. Gegen den Beschluss kann Beschwerde bei dem niedersächsischen Oberverwaltungsgericht in Lüneburg eingelegt werden.

VG Oldenburg, Beschluss vom 08.07.2021 - 7 B 2527/21

Redaktion beck-aktuell, 8. Juli 2021.