Zwei Hausstände dürfen Sexkino ohne Mindestabstand gemeinsam besuchen

Der Betreiber eines Sexkinos ist nicht daran gehindert, in seinen Kinosälen Personen aus zwei Hausständen ohne Einhaltung des Mindestabstands von 1,5 Metern zuzulassen. Dies hält das Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße in einem Eilverfahren fest. Es betont, dass ein Sexkino keine Prostitutionsstätte im Sinne der einschlägigen "Corona-Vorschriften" sei. Vielmehr kämen die für Kinos geltenden Vorschriften zur Anwendung.

Stadt weist Kinobetreiber zurecht

Der Antragsteller betreibt in Ludwigshafen ein sogenanntes Erlebniskino, in dem es während der Vorführung von Filmen in mehreren einzelnen Kinosälen auch zu sexuellen Kontakten/Handlungen kommen kann. Bei einer Kontrolle des Betriebs wiesen Mitarbeiter der Stadt Ludwigshafen den Antragsteller darauf hin, es dürften nur Personen aus dem gleichen Haushalt oder Einzelpersonen jeweils einen Raum belegen. Bei sexueller Betätigung komme es zu einem erhöhten Aerosolausstoß, sodass die Vorgaben des Hygienekonzeptes nur bei Einzelbelegung der Zimmer oder mit Paaren aus einem Haushalt eingehalten werden könnten.

Eilantrag des Kinobetreibers erfolgreich

Der Kinobetreiber meint, nach den einschlägigen Vorschriften der Elften Corona-Bekämpfungsverordnung Rheinland-Pfalz vom 11.09.2020 (11. CoBeLVO) könnten die einzelnen Kinosäle gleichzeitig auch von Personen aus zwei Hausständen besucht werden. Sein Eilantrag hatte vor dem VG Neustadt Erfolg.

Feststellungsinteresse gegeben

Der Antragsteller habe einen Anspruch auf die vorläufige Feststellung, dass die Kinosäle in seinem Erlebniskino gleichzeitig auch von Personen aus zwei Hausständen besucht werden können. Das erforderliche Feststellungsinteresse sei gegeben. Denn der Antragsteller würde eine Ordnungswidrigkeit begehen, wenn er Personen aus verschiedenen Haushalten gleichzeitig den Zutritt zu den Kinosälen gestatten würde, obwohl ihm dies nach der 11. CoBeLVO untersagt wäre. Ein von einem möglichen Bußgeldverfahren Betroffener habe ein schutzwürdiges Interesse daran, die Klärung einer verwaltungsrechtlichen Streitfrage "nicht auf der Anklagebank" zu erleben, sondern in einem verwaltungsgerichtlichen Verfahren herbeizuführen.

Vorschriften für Kinos streiten zugunsten des Antragstellers

Gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 der 11. CoBeLVO seien unter anderem Kinos unter Beachtung der allgemeinen Schutzmaßnahmen geöffnet. Es gelte nach § 15 Abs. 1 Satz 2 der 11. CoBeLVO unter anderem das Abstandsgebot nach § 1 Abs. 2 Satz 1. Dieser bestimme, dass der Aufenthalt im öffentlichen Raum, vorbehaltlich der Regelungen in Satz 3 und 4, nur unter Einhaltung eines Mindestabstands von 1,5 Metern zu anderen Personen erlaubt sei. Satz 1 gelte gemäß Satz 3 Nr. 1 jedoch nicht für Zusammenkünfte von bis zu zehn Personen oder einer Zusammenkunft der Angehörigen zweier Hausstände.

Erlebniskino nicht mit Prostitutionsstätte gleichzusetzen

Auf diese Vorschriften könne sich der Antragsteller berufen. Sein Erlebniskino sei keine Prostitutionsstätte, da darin keine sexuellen Dienstleistungen angeboten würden. Ein Sexkino, welches überwiegend oder ausschließlich Filme pornografischen Inhalts zeige, sei vielmehr ein Kino im Sinne der 11. CoBeLVO.

Bei Zusammenkommen von lediglich zwei Hausständen kein Abstand einzuhalten

Zwar sei für den Aufenthalt im Kino beziehungsweise den einzelnen Kinosälen grundsätzlich das Abstandsgebot von 1,5 Metern zwischen zwei Personen einzuhalten. Der Mindestabstand von 1,5 Metern gelte jedoch ausdrücklich nicht bei Zusammenkünften von bis zu zehn Personen oder einer Zusammenkunft der Angehörigen zweier Hausstände. Dies bedeute, dass entweder zehn Personen aus bis zu zehn verschiedenen Hausständen oder eine unbegrenzte Anzahl von Personen aus zwei verschiedenen Hausständen zusammenkommen dürften, ohne den Mindestabstand von 1,5 Metern einhalten zu müssen.

VG verweist auf entsprechende Lockerungen

Mit der Lockerungsstufe, die der rheinland-pfälzische Verordnungsgeber ab dem 10.06.2020 (Inkrafttreten der 9. CoBeLVO unter anderem mit der Erweiterung um einen "weiteren" Hausstand) betreten habe, habe er ersichtlich ein abstandsloses Treffen aller Personen zweier Haushalte ermöglichen wollen. Denselben Zweck dürfte nunmehr auch die seit dem 01.10.2020 geltende Regelung des § 6a der 11. CoBeLVO haben, wonach der Betrieb von Prostitutionsstätten und von Prostitutionsvermittlungen unter Einhaltung der allgemeinen Schutzmaßnahmen zulässig sei, soweit an den angebotenen sexuellen Dienstleistungen nicht mehr als zwei Personen beteiligt seien. Die beiden Personen dürften bei lebensnaher Betrachtungsweise ebenfalls verschiedenen Hausständen angehören.

Beschwerde ist möglich

Gegen den Beschluss ist das Rechtsmittel der Beschwerde zum Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz zulässig.

VG Neustadt a.d. Weinstraße, Beschluss vom 07.10.2020 - 5 L 783/20

Redaktion beck-aktuell, 8. Oktober 2020.