Fehlen von Ohrmarken beanstandet
Die Antragstellerin betreibt mit ihrer Schwester einen "Tierschutzhof", auf dem sie auch einige Schafe und Ziegen hält. Die Tiere sollen bis zu ihrem Tod auf dem Hof versorgt werden. Nachdem bei einer Veterinärkontrolle das Fehlen von Ohrmarken im Sinne der Viehverkehrsordnung festgestellt wurde, ordnete der Antragsgegner die sofortige Kennzeichnung mit Ohrmarken an. Dies sei erforderlich, um das Inverkehrbringen von Tieren mit ungeklärter Identität zu verhindern.
Gnadenhof-Betreiberin begehrt Eilrechtsschutz
Die Antragstellerin legte Widerspruch ein und bemühte sich vergeblich um eine Ausnahmegenehmigung. Schließlich ersuchte sie um sofortigen Rechtsschutz. Die Kennzeichnung mit Ohrmarken verursache bei den Tieren erhebliche Schmerzen, da sie ohne Betäubung erfolge. Es komme oft zu schweren Entzündungen und verstümmelten Ohren. Da sie einen Gnadenhof betreibe, gelangten die Tiere nicht in die Lebensmittelkette oder würden sonst irgendwie verbracht.
Anspruch auf Ausnahmegenehmigung in Eilverfahren nicht zu klären
Es könne im vorliegenden Eilverfahren nicht abschließend bewertet werden, ob die angefochtene tierseuchenrechtliche Verfügung des Antragsgegners in der Sache rechtmäßig sei. Die bei offenen Erfolgsaussichten ausschlaggebende Abwägung der Interessen falle jedoch zugunsten der Antragstellerin aus, so das VG. Die Ohrmarken dienten dazu, ein hohes Schutzniveau der öffentlichen Gesundheit zu erhalten, indem die Rückverfolgung gefährlicher Erkrankungen von Tieren, die (auch) zu erheblichen Gesundheitsschädigungen beim Menschen führen könnten, sichergestellt werde. Die Anbringung von Ohrmarken sei eine gebräuchliche Art der Tierkennzeichnung, die nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers sogar ohne Betäubung zulässig sei. In Einrichtungen, in denen die Kennzeichnung mittels Ohrmarken wegen der Haltungsform Schwierigkeiten bereite oder undurchführbar sei, könnten jedoch andere Kennzeichnungen genehmigt werden, soweit deren jederzeitige Ablesbarkeit gewährleistet sei. Ob der Antragsgegner die von der Antragstellerin beantragten Ausnahmegenehmigung zu Recht abgelehnt habe, erfordere eine eingehende rechtliche Bewertung, die den Rahmen des vorliegenden Eilverfahrens übersteige.
Öffentliches Interesse an Durchsetzung der Tierseuchenprävention tritt zurück
Da es als möglich erscheine, dass die von der Antragstellerin gehaltenen Tiere nicht mit Ohrmarken gekennzeichnet werden müssten, sei von der Durchsetzung der entsprechenden Verpflichtung bis zur Klärung der Frage des Anspruchs auf die Erteilung der Ausnahmegenehmigung abzusehen. Das öffentliche Interesse an der Durchsetzung der Tierseuchenprävention trete hier zurück. Denn dem Zweck der Kennzeichnung, nämlich die Rückverfolgung jedes einzelnen Tieres und individuelle Erkennung beim Ausbruch von Tierseuchen, komme angesichts der von der Antragstellerin dargelegten Haltungsbedingungen nur eine nachrangige Bedeutung zu. Dies folge zwar nicht bereits daraus, dass die Tiere nicht in die Nahrungskette gelangen sollten. Vom Schutzzweck des Tierseuchenrechts seien auch schon die Übertragungswege von Tier zu Tier erfasst, sodass bereits das Risiko, dass ein einzelnes Tier der Antragstellerin zukünftig gemeinsam mit "fremden" Schafen oder Ziegen gehalten werde, in den Blick zu nehmen sei. Da die von ihr gehaltenen Schafe und Ziegen jedoch, wie von der Antragstellerin eidesstattlich versichert, bis an ihr Lebensende auf dem Tierschutzhof gehalten werden sollten, erscheine diese Gefahr derzeit als sehr gering.