Die Morde an der Ehefrau und den beiden Töchtern von Robert Einstein im August 1944 in der Nähe von Florenz waren Gegenstand eines Ermittlungsverfahrens der Staatsanwaltschaft Frankenthal (Pfalz), das sich gegen einen ehemaligen Hauptmann und weitere Angehörige einer bestimmten Wehrmachtseinheit richtete. Das Verfahren wurde Anfang 2014 eingestellt, nachdem kein Anfangsverdacht für ein strafbares Verhalten ersichtlich wurde. Der britische Journalist und Schriftsteller Thomas Harding begehrte Einblick in die Ermittlungsakte. Die Staatsanwaltschaft lehnte dies ab: Die Akten enthielten eine Unmenge an personenbezogenen Daten, deren ausreichende Bereinigung mit vertretbarem Aufwand unmöglich sei. Harding klagte – und bekam Recht.
Das Verwaltungsgericht Neustadt (Urteil vom 07.11.2023 – 5 K 75/23) bejaht einen Anspruch Hardings auf Einsicht in die Ermittlungsakte nach dem Landesmediengesetz - ihm seien Kopien zu überlassen. Die Behörden - und das gelte auch für Staatsanwaltschaften - seien gesetzlich verpflichtet, der Presse die Auskünfte zu erteilen, die sie zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben benötigen. Obwohl es sich um ein bereits vor fast zehn Jahren abgeschlossenes Verfahren handele, bestehe an der Presserecherche aufgrund der historischen Dimension der strafrechtlichen Aufarbeitung von Verbrechen aus der NS-Zeit weiterhin ein herausgehobenes öffentliches Interesse.
Daher sprach das VG Harding auch einen Anspruch auf Akteneinsicht zu, der nur in Ausnahmefällen greife, während normalerweise bereits die Beantwortung konkreter Fragen ausreiche. Aufgrund der Komplexität des Ereignisses sei hier allein die Sichtung der Akten geeignet, um den Sachverhalt verstehen zu können. Dies gelte auch für die Umstände der Verfahrenseinstellung im Jahr 2014.
Soldaten müssen Namensnennung hinnehmen
Das Gericht sah keine schutzwürdigen privaten Interessen, die gegen die Einsichtnahme sprechen. Für die persönlichen Daten involvierter Soldaten gelte dies sowohl in Bezug auf eine Namensnennung als auch für die Gefahr der De-Anonymisierung aufgrund der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Truppeneinheit und der Angabe eines bestimmten Dienstgrades. Zu berücksichtigen sei, dass laut Staatsanwaltschaft kein Anfangsverdacht für ein strafbares Verhalten bestand.
Dass die Namen der Soldaten der untersuchten konkreten Truppeneinheiten aus der Akte ersichtlich beziehungsweise ermittelbar seien, betreffe lediglich Tatsachen und sei nicht dazu geeignet, ihr Lebensbild zu verfälschen. Die Zugehörigkeit zu einer Truppeneinheit sei ein Umstand, der auf den weit überwiegenden Teil der im Zweiten Weltkrieg wehrdienstpflichtigen Jahrgänge zutreffe. Dem müssten sich eingedenk der von der Wehrmacht begangenen Kriegsverbrechen sämtliche Soldaten stellen. Entgegen dem Vorbringen des Beklagten sei auch nicht zu befürchten, dass die Verwandten der Soldaten "von der Weltpresse in Sippenhaft" genommen würden.
Den Umfang der begehrten Einsichtnahme hielt das VG auch für zumutbar. Der Aufwand zur Unkenntlichmachung der in den Akten enthaltenen persönlichen Daten sei aufgrund des überragenden öffentlichen Interesses an der historischen Aufarbeitung der Morde gerechtfertigt. Das Verfahren sei sehr symbolträchtig, da die Wehrmacht in Italien zahlreiche weitere Verbrechen begangen habe, deren Opfer in der Öffentlichkeit namenlos geblieben seien. Auch international bestehe ein sehr hohes gesamtgesellschaftliches Interesse daran, die Vorgehensweise der Justizbehörden beim Versuch der Aufarbeitung von Wehrmachtsverbrechen am konkreten Beispiel transparent zu machen.