VG Neustadt an der Weinstraße: IHK Pfalz hebt Beitragsbescheid nach gerichtlichen Bedenken gegen Rücklagenbildung auf

Das Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße musste über die Klage eines Gewerbetreibenden gegen einen Beitragsbescheid der Industrie- und Handelskammer Pfalz nicht mehr entscheiden, nachdem der IHK-Vertreter den Bescheid in der mündlichen Verhandlung am 01.06.2017 aufgehoben hatte. Zuvor hatte das VG erhebliche Bedenken gegen die Rücklagenbildung der IHK geäußert (Az.: 4 K 77/17.NW).

Beitragsfestsetzung für 2012 und 2013 bereits im Widerspruchsverfahren aufgehoben

Die IHK hatte den Gewerbetreibenden für die Jahre 2011 bis 2015 zu einem Pflichtbeitrag in Höhe von knapp 1.000 Euro herangezogen. Dagegen legte der Kläger Widerspruch ein und monierte, dass die IHK die in den vergangenen Jahren erzielten Überschüsse nicht zur Finanzierung der Kammeraufgaben verwandt, sondern in Rücklagen als Vermögen unzulässig angespart habe, ohne dass dieser Absicherung ein entsprechendes finanzielles Risiko gegenüberstehe. Die IHK hob die Beitragsfestsetzung für 2012 und 2013 im Widerspruchsverfahren auf, weil die nach dem eigenen Finanzstatut zu beachtende Grenze für eine Rücklagenbildung in diesen Jahren jeweils überschritten worden war. Für die übrigen Jahre wurde der Widerspruch des Klägers zurückgewiesen.

VG bezweifelte Rechtmäßigkeit der Rücklagenbildung

Daraufhin erhob der Kläger für die Jahre 2011, 2014 und 2015 Klage beim VG. Das Gericht erhob ernsthafte Bedenken gegen die Beitragserhebung. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts dürfe die IHK verfügbare finanzielle Mittel aus Überschüssen statt zur Finanzierung der Kammeraufgaben nur insoweit zur Absicherung konkret zu benennender finanzieller Risiken in eine Rücklage einfließen lassen, als dies auch unter Beachtung ihres weiten Gestaltungsspielraums dem Gebot der Schätzgenauigkeit entspreche. Nach diesem vom Bundesverwaltungsgericht entwickelten Gebot müsse die IHK jährlich bei Bestimmung der Mitgliedsbeiträge prüfen, ob und in welcher Höhe die Bildung oder Erhaltung einer Rücklage zur Absicherung eines finanziellen Risikos zum Beispiel durch Beitragsschwankungen infolge konjunktureller Krisen vernünftigerweise gerechtfertigt sei.

Rücklagenaufstockung nicht nachvollziehbar

Das VG machte deutlich, dass es wenig nachvollziehbar sei, wenn in den Jahren seit 2010 eine kontinuierliche Verbesserung der gesamtwirtschaftlichen Konjunktur auch nach den Jahresberichten der IHK zu erwarten und zu verzeichnen gewesen sei und sich dadurch naturgemäß insbesondere das Risiko des unerwarteten Beitragsausfalls verringert habe, gleichwohl aber die Rücklagen bis zum Jahr 2014 kontinuierlich durch Einstellung von jährlich erzielten Überschüssen aufgestockt worden seien.

VG musste nach Bescheidaufhebung nicht mehr entscheiden

Laut VG hat der Vertreter der IHK den Beitragsbescheid in der mündlichen Verhandlung insgesamt aufgehoben, nachdem die IHK inzwischen durch eine Reduzierung der Beiträge für 2014 und 2015 um 75% und künftig präzisere Risikoabschätzung bereits mit dem Abbau der Rücklagen begonnen habe. Er habe auch die Kosten des nun übereinstimmend für erledigt erklärten Verfahrens übernommen.

VG Neustadt a.d. Weinstraße - 4 K 77/17

Redaktion beck-aktuell, 7. Juni 2017.

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