VG Neustadt an der Weinstraße: Händler darf Fußgänger mit Warenauslagen nicht auf Radweg abdrängen

Einem Gemüse- und Obstladeninhaber in der Innenstadt von Ludwigshafen ist es zu Recht verboten worden, Warenauslagen vor seinem Ladengeschäft auf dem Gehweg und auf den Parkplätzen davor aufzustellen. Dies hat das Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße mit Eilbeschluss vom 28.03.2017 entschieden. Die Sicherheit der Fußgänger sei gefährdet, da sie hier auf den Radweg gedrängt würden. Ein Radweg sei dabei jeder Straßenteil, der seiner baulichen Gestaltung nach zweifelsfrei für den Fahrradverkehr bestimmt sei (Az.: 3 L 282/17.NW).

Händler nimmt etwa Hälfte des Bürgersteigs für Warenauslagen in Anspruch

Der Antragsteller betreibt in der Innenstadt von Ludwigshafen einen Gemüse- und Obstladen. Der Bereich zwischen dem Geschäft und der Straßenfahrbahn ist in einer Tiefe von 1,83 Meter grau gepflastert, daran schließt sich ein 1,40 Meter rot gepflasterter Bereich und an diesen ein grau gepflasterter Parkstreifen an. Der Antragsteller bot auf dem entlang des Geschäftsgebäudes verlaufenden grau gepflasterten Bereich auf Paletten und auf Warenständern mit einer Tiefe von 0,87 Zentimetern seine Waren an. Den Parkstreifen nahm er als Abstellfläche auch in Anspruch. Die betreffende Straße ist als "Tempo-30-Zone" ausgewiesen.

Warenauslage wegen Fußgängergefährdung durch Unterschreiten der Mindestgehwegbreite verboten

Nachdem die Antragsgegnerin anlässlich von Kontrollen im Dezember 2016 und Januar 2017 festgestellt hatte, dass der Antragsteller "unerlaubt" Waren auf Warenständern und Paletten auf dem Gehweg anbot und sich weigerte, die Warenauslagen auf dem Gehweg zu entfernen, untersagte sie dem Antragsteller am 01.03.2017 unter Anordnung der sofortigen Vollziehung, Warenauslagen, Paletten, Einkaufswägen und Ständer vor seinem Ladengeschäft auf dem Gehweg und auf den Parkplätzen davor aufzustellen. Zur Begründung führte die Antragsgegnerin aus, die nicht erlaubte Warenauslage auf dem Gehweg bedeute für den Fußgängerverkehr eine erhebliche Gefährdung, da Fußgänger auf den Radweg ausweichen müssten. Die erforderliche Mindestgehwegbreite sei nicht mehr vorhanden. Auch wenn keine Beschilderung des Radweges vorhanden sei, handele es sich um einen Radweg, der von Radfahrern befahren werden dürfe.

Händler beruft sich auf breiteren Gehweg infolge Wegfalls des Radwegs

Gegen diese Verfügung erhob der Antragsteller Anfang März 2017 Widerspruch und suchte zugleich um vorläufigen Rechtsschutz mit der Begründung nach, der Radweg sei aufgehoben. Die den Weg als Radweg ausweisenden Verkehrszeichen seien entfernt, lediglich die rote Pflasterung sei aus Kostengründen von der Antragsgegnerin nicht beseitigt worden. Der Fußgängerbereich habe sich aufgrund des Wegfalls der Anordnungsschilder für den Radweg um die Breite des früheren Radwegs von 1,40 Meter verbreitert. Der Fußgängerbereich sei damit 3,23 Meter (1,83 Meter + 1,40 Meter) breit. Durch die Warenauslagen mit einer Tiefe von 0,87 Meter verringere sich der Fußgängerbereich auf circa 2,36 Meter.

VG: Störung des Fußgängerverkehrs aufgrund Warenauslage hinreichend wahrscheinlich

Das VG hat den Antrag abglehnt. Die Untersagungsverfügung sei offensichtlich rechtmäßig. Der Antragsteller verfüge nicht über die nach dem Straßenverkehrsrecht erforderliche Genehmigung. Auf deren Erteilung habe er auch keinen Anspruch. Die Aufstellung von Warenständern und Paletten zum Anbieten von Obst und Gemüse durch den Antragsteller auf dem Gehweg vor seinem Geschäft in Ludwigshafen unterfalle der Vorschrift des § 33 Abs. 1 Nr. 2 StVO. Danach sei es verboten, Waren und Leistungen aller Art auf der Straße anzubieten, wenn dadurch am Verkehr Teilnehmende in einer den Verkehr gefährdenden oder erschwerenden Weise abgelenkt oder belästigt werden könnten. Dies sei hier der Fall. Durch die Aufstellung von Warenständern und Paletten unmittelbar vor dem Gemüsegeschäft des Antragstellers sei mit hinreichender Wahrscheinlichkeit mit einer Störung des Fußgängerverkehrs auf dem Gehweg zu rechnen.

Fußgänger werden auf Radweg abgedrängt

Gehwege dienten nach ihrer Zweckbestimmung primär der Sicherheit von Fußgängern, weil sie den langsamsten und schutzbedürftigsten Verkehrsteilnehmern einen eigenen, von den übrigen Verkehrsarten abgegrenzten Verkehrsraum überließen. Fußgänger müssten den Gehweg benutzen. Die Antragsgegnerin habe seit den 1980er Jahren die Mindestrestgehwegbreite bei Warenauslagen generell im gesamten Stadtgebiet auf 1,50 Meter festgelegt. Ob diese Breite weiter verringert werden könnte, könne dahinstehen. Jedenfalls dürfe eine Verschmälerung zur Wahrung der Funktionsfähigkeit des Gehwegs nicht so weit gehen, dass ein sicheres Begehen des Gehwegs nicht mehr gewährleistet sei. Der Gehweg entlang der Straße sei in dem hier fraglichen Bereich 1,83 Meter breit, wovon die Warenauslage des Antragstellers 87 Zentimeter beanspruche. Dem Fußgängerverkehr verblieben somit noch 96 Zentimete Gehweg. Diese verbleibende Gehwegbreite reiche zur Gewährleistung eines Fußgängerverkehrs (auch mit Kinderwagen oder Rollator) einschließlich eines Begegnungsverkehrs nicht mehr aus, insbesondere wenn Personen vor der Warenauslage des Antragstellers zur Auswahl von Obst und Gemüse stehen blieben. Es werde daher ein Ausweichen auf den Radweg notwendig.

Radweg kann auch ohne Kennzeichnung durch Verkehrszeichen vorliegen

Zu Unrecht berechne der Antragsteller die Gesamtbreite des Gehwegs mit 3,23 Meter (1,83 Meter grau gepflasterter Bereich zuzüglich 1,40 Meter rot gepflasterter Bereich), so das VG weiter. Bei dem von dem Antragsteller dem Gehweg zugeschlagenen Bereich handele es sich nach wie vor um einen Radweg, auch wenn dieser nicht mehr durch das Verkehrszeichen 237 der Anlage 2 zur StVO als solcher ausgewiesen sei. Was unter Radweg zu verstehen sei, werde in der StVO ebenso wenig definiert wie der Begriff des Gehwegs, zu dessen Benutzung Fußgänger verpflichtet seien. Unstreitig sei lediglich jeder durch Verkehrszeichen 237, 240 und 241 der Anlage 2 zur StVO gekennzeichnete Sonderweg als benutzungspflichtiger Radweg anzusehen. Hieraus folge jedoch nicht, dass eine derartige Kennzeichnung notwendige Voraussetzung für das Vorliegen eines Radwegs sei. Als Radweg im Sinne der StVO sei ein Straßenteil anzusehen, der seiner baulichen Gestaltung nach zweifelsfrei für den Fahrradverkehr bestimmt sei.

Rot gepflasterter Weg hier als Radweg erkennbar

Laut VG verläuft hier neben dem mit grauen Betonsteinen markierten Gehweg ein mit roten Betonsteinen gepflasterter Radweg. Es sei erkennbar, welcher der beiden unterschiedlich gepflasterten Bereiche in der betreffenden Straße in Ludwigshafen Gehweg und welcher Radweg sei. Eine Benutzungspflicht für den Radweg sei unzulässig, weil es sich bei dem betreffenden Bereich in Ludwigshafen um eine Tempo-30-Zone handele. Der Radweg sei aber als nicht benutzungspflichtiger Radweg durch das Zusatzzeichen "Zeichen 1000-33" gekennzeichnet. Des Weiteren sei der Radweg als Teil des Radwegnetzes nach Ludwigshafen-Friesenheim mit einem "Radwegenetz-Schild" markiert. Tatsächlich würden Radfahrer diesen Weg auch als Radweg erkennen und befahren. Handele es sich aber bei dem mit roten im Fischgrätmuster verlegten Betonpflasterstein-Bereich mit dem dargestellten Zusatzzeichen um einen Radweg, könne dessen Breite nicht – wie der Antragsteller es mache – dem Gehweg zugerechnet werden. Der Radweg habe in seiner gesamten Breite den Radfahrern zur Verfügung zu stehen.

VG Neustadt a.d. Weinstraße, Beschluss vom 28.03.2017 - 3 L 282/17

Redaktion beck-aktuell, 3. April 2017.

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