VG: Rückkehrern wird regimefeindliche Gesinnung unterstellt
Das VG begründet sein Festhalten am vollen Flüchtlingsschutz für Syrer damit, dass syrische Asylbewerber nach ihrer Rückkehr nach Syrien grundsätzlich mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit mit einer politischen Verfolgung durch das Assad-Regime rechnen müssten. Das Gericht lehnt es unter Auswertung der vorliegenden Erkenntnisse ab, sich der Begründung des OVG Münster für seinen Wechsel der ständigen Rechtsprechung anzuschließen. Entgegen der Ansicht des OVG ergebe die Erkenntnislage, dass aus dem Ausland Rückkehrende nach wie vor durch das syrische Regime befragt würden. Es sei bekannt, dass die syrischen Sicherheitsdienste de facto im rechtsfreien Raum agierten und im Allgemeinen Folter in größerem Maßstab anwendeten. Dabei werde den Rückkehrern nicht nur vorgeworfen, Missstände in Syrien angeprangert und den syrischen Staat international in ein schlechtes Licht gerückt zu haben, sondern sie würden auch beschuldigt, dem als feindlich angesehenen Westen mögliche Argumente für ein diplomatisches oder gar militärisches Vorgehen gegen das Assad-Regime geliefert zu haben.
Kenntnis Syriens vom Fluchtgrund "Bürgerkrieg" führt zu keiner anderen Bewertung
Auch wenn dem syrischen Staat bekannt sei, dass die übergroße Zahl der syrischen Asylbewerber vor den Gefahren des Bürgerkriegs nach Westeuropa geflohen sei, folge daraus nicht, dass Rückkehrern generell keine regimefeindliche Gesinnung unterstellt werde, so das VG weiter. Das verbale Bekenntnis des syrischen Staatspräsidenten vor der ausländischen Presse aus dem Jahr 2015, bei der Mehrheit der Flüchtlinge handele es sich um "gute Syrer und Patrioten", führe ersichtlich nicht weiter. Es fehle dem obersten Repräsentanten des syrischen Unrechtsregimes, das massenhaft seine eigenen Staatsangehörigen unterdrücke, foltere und töte, bereits an jeglicher Glaubwürdigkeit. Daher lehnt das VG auch die Begründung des OVG ab, die Annahme, das syrische Regime erkenne nicht, dass die Masse der Flüchtlinge vor dem Bürgerkrieg fliehe, hieße, ihm ohne greifbaren Anhalt Realitätsblindheit zu unterstellen.
"Reflexverfolgung" spricht für drohende politische Verfolgung
Laut VG spricht für die Annahme einer drohenden politischen Verfolgung zudem die vom Assad-Regime wie auch von anderen Konfliktparteien angewandte so genannte Reflexverfolgung, bei der ganze Familien, Stämme, religiöse und ethnische Gruppen sowie Städte und Dörfer zum Ziel von Vergeltungsaktionen würden.
Zurückkehrenden Kindern droht Verfolgung als Druckmittel gegen Familienangehörige
Auch minderjährige syrische Staatsangehörige, die selbst oder über ihre Eltern in Deutschland Asyl beantragt hätten, hätten im Fall ihrer Rückkehr nach Syrien Verfolgung durch syrische Hoheitsträger zu befürchten. Kindern drohten Verfolgungsmaßnahmen, weil sie als Druckmittel gegen Eltern, Familienangehörige oder Verwandte infrage kämen, die wegen ihrer tatsächlichen oder vermuteten Überzeugung im Visier des Assad-Regimes sein könnten. Zudem bestehe im Fall des Klägers zu 1. die beachtliche Wahrscheinlichkeit einer Verfolgung durch den syrischen Staat, weil er sich durch seine unerlaubte Ausreise aus Syrien dem Militärdienst entzogen habe und deswegen als Regimegegner betrachtet werde.