VG München stoppt Berufung neuer BFH-Vizepräsidentin
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© Peter Kneffel / dpa

Im Streit um die Neubesetzung der Spitze des höchsten deutschen Finanzgerichts hat das Münchner Verwaltungsgericht die Berufung der vom Bundesfinanzministerium auserkorenen Kandidatin Anke Morsch gestoppt. Das Gericht gab am Donnerstag drei Eilanträgen unterlegener Bewerberinnen und Bewerber statt. Der Bund dürfe die Stelle nicht mit der "vorgesehenen Bewerberin" besetzen, bis eine neue Auswahlentscheidung getroffen sei.

Keine Gleichwertigkeit der aktuellen Ämter

Der Bundesfinanzhof ist seit über einem Jahr führungslos, weil die scheidende Große Koalition die Präsidentschaftsnachfolge nicht rechtzeitig geregelt hat. Die nun erfolgte Berufung von Morsch ist nach Ansicht des Gerichts jedoch rechtswidrig gewesen. Die 5. Kammer des Verwaltungsgerichts gab den Eilanträgen statt, weil es die konkret durchgeführte Auswahlentscheidung für rechtswidrig erachtet. Das Bundesjustizministerium sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass Morsch der Vorrang einzuräumen sei, obwohl ihr aktuelles Amt als Präsidentin eines Finanzgerichts in einen niedrigeren beamtenrechtlichen Status (Statusamt R5) eingestuft ist als die Ämter der Konkurrenten des BFH (Statusamt R8). Denn insofern sei schon keine Gleichwertigkeit der aktuellen Ämter gegeben. 

Abweichen von Vorgaben nicht ausreichend begründet

Auch wenn Morsch wie auch ihre Konkurrentinnen und Konkurrenten in ihren aktuellen Beurteilungen jeweils die Spitzennote erhalten hätten, gelte der Grundsatz des Leistungsvorrangs des höheren Statusamtes. Danach sei die Eingruppierung in ein höheres Statusamt regelmäßig Ausdruck gesteigerter Anforderungen und einer größeren Verantwortung im höherrangigen Amt. Das Ministerium habe nicht ausreichend begründet, weshalb insofern eine Ausnahme vorgelegen habe und weshalb Morsch trotz ihrer niedrigeren Eingruppierung über einen Leistungsvorsprung gegenüber den Konkurrenten verfüge. Das unter anderen angeführte Argument, sie habe bis 2017 das Amt einer Staatssekretärin (Statusamt B8) innegehabt, greife nicht durch, denn es sei allein das aktuelle Statusamt maßgeblich. Schon aus diesen Gründen müsse die Auswahlentscheidung neu durchgeführt werden.

VG hat keine Einwände gegen neues Anforderungsprofil

Das VG wies weiter darauf hin, dass es aufgrund dieser Argumentation auf das von den Antragstellern – und auch in der öffentlichen Diskussion um die Auswahlentscheidung – in den Vordergrund gestellte Argument, das aktuelle Anforderungsprofil für die Vizepräsidentenstelle sei rechtswidrig, nicht mehr ankomme. Die Rechtswidrigkeit war angenommen worden, weil ein wesentliches Auswahlkriterium, die fünfjährige Bewährung und Erfahrung als Richter an einem obersten Bundesgericht, darin nicht (mehr) enthalten ist. Das Gericht befasste sich mit dieser Frage in seinen Entscheidungen daher auch nicht vertieft, äußerte aber, dass es grundsätzlich im Organisationsermessen des Dienstherrn liege, das Anforderungsprofil im Interesse einer effektiven Verwaltung festzusetzen. Durch das aktualisierte Anforderungsprofil sei der Bewerberkreis erweitert worden, wodurch die Antragsteller, die auch das erweiterte Anforderungsprofil erfüllen, nicht in ihren Rechten verletzt würden. Denn einem Leistungsvergleich als zentrales Element der Auswahl könne sich ein Konkurrent nicht entziehen. Die Abänderung des Anforderungsprofils, die abstrakt und unabhängig von dem vorliegenden Stellenbesetzungsverfahren erfolgt sei, erscheine nach den Darlegungen des Justizministeriums zum diesbezüglichen Austausch im Richterwahlausschuss auch durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt und daher nicht willkürlich.

Streit wegen Nichterfüllung des Anforderungsprofils

Die Präsidentinnen und Präsidenten der Bundesgerichte, der Deutsche Richterbund und der Richterverein am Bundesfinanzhof hatten das neue Prozedere dagegen teils scharf kritisiert. Ihnen geht es dabei um die Frage, ob das Ministerium politisch genehme Kandidatinnen und Kandidaten auf Führungsposten hievt, die fachlich die Anforderungen nicht erfüllen. Sie betonen die Wichtigkeit des früheren Auswahlkriteriums, dass Bewerberinnen und Bewerber für Führungsstellen an den Bundesgerichten in der Regel fünfjährige Erfahrung am jeweiligen Gericht haben sollen. Weder Morsch noch Hans-Josef Thesling, der als CDU-nah gilt und als künftiger BFH-Präsident berufen ist, erfüllten dieses Kriterium.

Entscheidung nicht rechtskräftig

Die Entscheidungen sind noch nicht rechtskräftig. Sowohl der Bund als auch Morsch selbst können innerhalb von zwei Wochen Beschwerde beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof einlegen. Hinsichtlich eines vierten Eilantrags einer weiteren Konkurrentin wird das VG zu einem späterem Zeitpunkt entscheiden. Demgegenüber ist laut "Frankfurter Allgemeine Zeitung" der Weg für Thesling zwar grundsätzlich frei, nachdem der Bayerische Verwaltungsgerichtshof eine Konkurrentenklage gegen ihn als unzulässig abgewiesen hat. Eine Besetzung könne jedoch aktuell wegen noch laufender Rechtsmittelfristen noch nicht erfolgen.

VG München, Beschluss vom 14.10.2021 - M 5 E 21.1208

Redaktion beck-aktuell, 15. Oktober 2021 (ergänzt durch Material der dpa).