Bayerischer Verfassungsschutz darf AfD vorerst nicht nachrichtendienstlich beobachten

Das Verwaltungsgericht München hat einen "Hängebeschluss" zur Beobachtung des bayerischen Landesverbands der AfD durch den Freistaat Bayern getroffen. Dem Bayerischen Landesamt für Verfassungsschutz wird vorläufig untersagt, gegenüber der Partei nachrichtendienstliche Mittel einzusetzen und Öffentlichkeitsarbeit hinsichtlich möglicher verfassungsfeindlicher Bestrebungen der Partei zu betreiben. Möglich bleibe die Beobachtung der Partei auf Basis offen zugänglicher Informationen.

AfD unter Beobachtung des Verfassungsschutzes

Das Innenministerium hatte im September mitgeteilt, dass die AfD nunmehr auch in Bayern als Gesamtpartei vom Verfassungsschutz beobachtet wird. "Das dient der Aufklärung, inwieweit in der AfD als Gesamtpartei Bestrebungen vorliegen, die den Kernbestand des Grundgesetzes zu beeinträchtigen oder zu beseitigen versuchen", hieß es zur Begründung. Landtagsabgeordnete würden aber nicht beobachtet. Ein Sprecher des bayerischen Verfassungsschutzes hatte damals aber bereits betont: "Im Rahmen der Verhältnismäßigkeit ist zu berücksichtigen, dass die AfD noch nicht als erwiesen extremistisch eingestuft ist."

Partei wehrt sich gegen “Verdachtsfall“-Einstufung

Die AfD wehrt sich mit einem Klage- beziehungsweise Eilverfahren vor dem Verwaltungsgericht dagegen, als "Verdachtsfall" für verfassungsfeindliche Bestrebungen behandelt zu werden, was das Bayerische Staatsministerium des Innern im September 2022 öffentlich machte. Die nunmehr getroffene Zwischenentscheidung enthält keine inhaltliche Entscheidung darüber, ob tatsächliche Anhaltspunkte für Bestrebungen der Partei AfD bestehen, die freiheitlich demokratische Grundordnung zu beseitigen. Selbst für eine nur vorläufige Beantwortung dieser Frage wird das Gericht angesichts der komplexen Sachlage noch einige Zeit benötigen.

VG erlässt Hängebeschluss - Chancengleichheit der AfD könnte gefährdet sein

Das Verwaltungsgericht hat bislang nur eine Folgenabwägung vorgenommen und festgestellt, dass der Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel mit dem Risiko heimlicher Ausforschung schwer in die Tätigkeit der Partei eingreife. Zusammen mit der Veröffentlichung der Beobachtung der Partei als “Verdachtsfall“ bestehe die Gefahr einer Beeinträchtigung der Chancengleichheit der Partei insbesondere im Hinblick auf den kommenden Landtagswahlkampf.

Beobachtung aus öffentlich zugänglichen Quellen weiterhin zulässig

Zugleich hat das Gericht festgestellt, dass das Landesamt für Verfassungsschutz mit der Sicherung der freiheitlich demokratischen Grundordnung eine Aufgabe von hohem verfassungsrechtlichem Rang wahrnimmt. Die Partei müsse deshalb vorläufig hinnehmen, zumindest aus öffentlich zugänglichen Quellen beobachtet zu werden. Das Gericht wird nun in den nächsten Wochen eine eigene Bewertung des vorgelegten, mehrere tausende Seiten umfassenden Materials vornehmen. Wann eine Entscheidung im Eilverfahren getroffen wird, mit der die Zwischenentscheidung außer Kraft tritt, lässt sich laut VG derzeit noch nicht prognostizieren.

VG München, Beschluss vom 25.10.2022 - M 30 E 22.4913

Redaktion beck-aktuell, 25. Oktober 2022.