Sogar bei Berichterstattung in eigener Sache: Youtuber ist Journalist
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Auch ein Youtuber, der über einen Gerichtstermin in eigener Sache berichten möchte, kann sich auf die Pressefreiheit berufen. In einer Eilentscheidung hat das VG Minden ihm erlaubt, seine technische Ausrüstung in das Gebäude des LG Bielefeld mitzunehmen.

Das VG hat den Anspruch des Youtubers und Bloggers, seine Aufzeichnungsgeräte ins Gerichtsgebäude mitzunehmen, direkt aus der Pressefreiheit abgeleitet. Der Schutz von Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG beschränkt sich nach Ansicht der Mindener Richter nicht auf digitale Ausgaben klassischer Medien, etwa Onlineausgaben von Zeitschriften oder Zeitungen. Die Norm sei vielmehr "entwicklungsoffen" angelegt und müsse auch neuen Formaten vergleichbaren Schutz bieten.

Erforderlich sei, so das VG, lediglich eine gewisse Aufbereitung der Nachrichten – dies leiste der Youtuber.

VG: Kein Verbot der Berichterstattung in eigener Sache

Den Einwand des Präsidenten des LG, die Presse dürfe nicht in eigenen Angelegenheiten berichten, ließen die Verwaltungsrichter nicht gelten. Die Presse entscheide selbst, worüber sie berichten wolle. Auch aus dem Pressekodex ergebe sich kein derartiges Verbot.

Das VG Minden betont, dass die Entscheidung nicht bedeute, dass der Youtuber in jedem Fall im Sitzungssaal während der Sitzungspausen Bilder machen könne. Darüber müsse die zuständige Richterin im Rahmen der Verhandlungsleitung entscheiden. Die Richterin hatte schon im Vorfeld der Entscheidung angekündigt, Foto- und Filmaufnahmen im Saal nach § 176 GVG (Sitzungspolizei) zu unterbinden.

Nach Angaben von openJur ist die Sache nun beim OVG Münster anhängig (Az. 15 B 917/23).

Journalistenverband kritisiert "verhaltensoriginelle" Entscheidung

Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) hält es für befremdlich, dass das VG einen Youtuber mit professionellen Journalistinnen und Journalisten gleichstellt. Der Bundesvorsitzende des Verbands Frank Überall nannte die Entscheidung "verhaltensoriginell" und fern von der notwendigen Kenntnis sozialer Netzwerke und etablierter Medien. Er verwies auf den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, der festgelegt habe, Journalist könne sich nur nennen, wer regelmäßig oder professionell journalistisch arbeite, also den Lebensunterhalt damit verdiene.

Für befremdlich hält der DJV-Vorsitzende auch die mangelnde Abgrenzung zwischen professionellen Medienschaffenden und Hobbyjournalisten. Bei Demonstrationen etwa müssten Polizeikräfte weiter die Möglichkeit haben, Journalisten und Aktivisten zu unterscheiden. Der Besitz einer Videokamera könne hier nicht das entscheidende Kriterium sein. Überall hofft nun auf die nächste Gerichtsinstanz.

VG Minden, Beschluss vom 16.08.2023 - 1 L 729/23

Redaktion beck-aktuell, Michael Dollmann, 29. August 2023.