Anwalt muss auch für politische Ehrenämter ans Versorgungswerk zahlen

Die Höhe der Beiträge, die Rechtsanwälte für ihre Altersvorsorge an ihr Versorgungswerk zahlen müssen, richtet sich nicht nur nach ihren Einkünften als juristische Freiberufler. Vielmehr zählen dabei auch andere Einnahmen – sogar Aufwandsentschädigungen aus einer kommunalpolitischen Betätigung. Das hat das VG Minden entschieden.

Besonders viel war es nicht, was der Kläger monatlich in sein Versorgungswerk einzahlen musste: 37,09 Euro. Doch dem angestellten Anwalt missfiel, dass die Einrichtung, die für seine Altersbezüge als Freiberufler zuständig war, bei der Bemessung der Beitragshöhe auch seine Aufwandsentschädigungen von knapp 2.400 Euro für das Jahr 2020 als Mitglied und Fraktionsvorsitzender in der Bezirksvertretung einer kreisfreien Stadt einbezog. Die wertete sie nämlich als Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit. Dass es sich hierbei nicht um Bezüge aus anwaltlicher Tätigkeit handele, sei für die Beitragspflicht ohne Relevanz: Der Satzungsgeber (also das betreffende Versorgungswerk) habe die Entscheidung getroffen, dass Mitglieder mit ihrem gesamten Einkommen beitragspflichtig seien – und zwar unabhängig davon, ob es sich um Einkünfte aus nichtselbstständiger oder selbstständiger anwaltlicher Tätigkeit oder um solche aus berufsfremder Erwerbstätigkeit oder Beschäftigung handele. Dies sah das VG Minden in einer jetzt veröffentlichten Entscheidung genauso (Urteil vom 12.01.2024 – 2 K 2771/21). Das stimme auch mit dem "Gesetz über die Rechtsanwaltsversorgung" (RAVG NW) überein.

Grundsätzlich zahlen Mitglieder der berufsständischen Vorsorgeinstitution den Regelpflichtbeitrag, so der Einzelrichter in der Weserstadt, der dem Höchstbeitrag zur gesetzlichen Rentenversicherung entspreche. Wessen Einkommen die Beitragsbemessungsgrenze nicht erreicht, der zahle der Satzungsregelung zufolge den Beitrag entsprechend seinem Einkommen gemäß dem Beitragssatz der gesetzlichen Rentenversicherung (sofern die Vertreterversammlung nichts anderes festlegt). Entscheidend war für das VG: Einkommen seien hierbei sowohl das aus selbstständiger Tätigkeit erzielte "Arbeitseinkommen" als auch das im Rahmen abhängiger Beschäftigung eingenommene "Arbeitsentgelt", denn die Bestimmung verweise auf die sozialversicherungsrechtlichen Legaldefinitionen der § 14 SGB IV (der das Arbeitsentgelt definiert) und § 15 SGB IV (zum Arbeitseinkommen) – ebenso wie dies § 7 Abs. 1 Satz 3 RAVG NW vorgebe. "Von einer Eingrenzung auf bestimmte Tätigkeiten wird bewusst und erkennbar abgesehen."

"Anwaltstypisch oder nicht ist egal"

Das richterliche Fazit: Mit der Anknüpfung an die Begriffe des Arbeitsentgelts im Sinne der beiden Vorschriften aus dem SGB IV gehen sämtliche Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit (Arbeitsentgelt) sowie aus freiberuflicher oder selbstständiger Tätigkeit (Arbeitseinkommen) in die Bemessungsgrundlage ein. "Dies gilt unabhängig davon, ob diese Tätigkeiten als anwaltstypisch einzustufen sind." Wichtig wird nun das Verhältnis zum Steuerrecht: "Auch die Aufwandsentschädigungen, die der Kläger als Mitglied und Fraktionsvorsitzender in der Bezirksvertretung erhält, gehören nach höchstrichterlicher Rechtsprechung einkommensteuerrechtlich zu den Einkünften aus sonstiger selbstständiger Arbeit im Sinne von § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG", heißt es weiter in dem Urteil. Nach diesem Paragrafen zählen zu den steuerpflichtigen Einkünften neben solchen aus freiberuflicher Tätigkeit auch solche "aus sonstiger selbstständiger Arbeit, z.B. Vergütungen für die Vollstreckung von Testamenten, für Vermögensverwaltung und für die Tätigkeit als Aufsichtsratsmitglied".

Dass der Mann mit seinem Mandat und seinem Fraktionsvorsitz nach eigenen Angaben keine "Gewinnerzielungsabsicht" verfolgte, stehe dem nicht entgehen. Vielmehr habe das BSG "unmissverständlich klargestellt", zitiert der Verwaltungsrichter die Kasseler Bundesrichter ausführlich: "Man kann zwar davon ausgehen, dass die Ratsmitglieder ihre Tätigkeit in erster Linie deshalb ausüben, um ihrem politischen Auftrag gerecht zu werden und die Absicht, hierfür Vergütungen zu erzielen, dabei in den Hintergrund rückt. Für die Annahme einer selbständigen Tätigkeit genügt es indessen, dass die Gewinnerzielungsabsicht nur ein Nebenzweck ist. Dies ist jetzt ausdrücklich in § 15 Abs. 2 S. 3 EStG für die gewerblichen Einkünfte ausgesprochen; für die Einkünfte aus selbstständiger Arbeit gilt nichts anderes." (NZS 2016, 549).

Rüffel und Seitenhiebe an andere Gerichte

Die obersten Sozialrichter hätten damals beispielhaft Aufwandsentschädigungen, Sitzungsgelder und Verdienstausfallentschädigungen erwähnt. Auch nach der Gesetzesbegründung sei die ersatzlose Streichung des § 15 S. 2 SGB IV a.F. aus Gründen der Praktikabilität erfolgt: Für die Bestimmung, welches Einkommen als Arbeitseinkommen zu werten ist, solle nunmehr allein das Einkommensteuerrecht maßgeblich sein, womit "eine volle Parallelität von Einkommensteuerrecht und Sozialversicherungsrecht sowohl bei der Zuordnung zum Arbeitseinkommen als auch bei der Höhe des Arbeitseinkommens erreicht wird" (BT-Drs. 12/5700, S. 92). Wenngleich der Gesetzgeber im Sozialversicherungsrecht in § 15 SGB IV die Terminologie des "Arbeitseinkommens" beibehalten habe.

Deutlich fielen einige Seitenhiebe aus Minden gegen andere Gerichte aus. So verwundere die gegenteilige Rechtsprechung des LSG Hessen (ASR 2022, 133): Es verkenne die Rechtsprechung von BSG sowie BFH, indem es unter expliziter Bezugnahme darauf "den exakt gegenteiligen Schluss" ziehen wolle. Einen Rüffel für ihren "Fehlschluss" fangen sich auch das SG Saarbrücken (Urteil vom 07.12.2020 – S 20 KR 85/20) und das SG Detmold (S 32 KR 1498/20; nicht veröffentlicht) ein. Weil das alles genügend vom OVG Münster (Beschluss vom 30.05.2008 - 5 A 2907/06) geklärt sei, gab man auch dem Antrag des rechtskundigen Mandatsträgers auf Zulassung der Berufung nicht statt.

VG Minden, Urteil vom 12.01.2024 - 2 K 2771/21

Redaktion beck-aktuell, Prof. Dr. Joachim Jahn ist Mitglied der NJW-Schriftleitung, 13. August 2024.