In dem als "Hörspiel" verfassten Radiospot zur sächsischen Landtagswahl hört ein Paar im Radio, dass die neue sächsische Regierung vereidigt worden ist. Der Mann reagiert mit den Worten: "De AfD ham‘se vereidischt. Die Faschisden sind wieder anner Macht." Daraufhin sucht das Paar in dem Spot nach einer Waffe und erschießt zunächst zwei Bekannte, die AfD wählen. Dann schießt der Mann auf weitere, nicht näher bezeichnete und ihm offensichtlich auch nicht bekannte Personen mit den Worten, dass es bei 50% Zustimmung für die AfD schon die richtigen treffen werde. Dem stimmt die Ehefrau mit "Nunu!" zu. Der Spot endet mit den Worten: "Bevor es zu spät ist: Wählen Sie die PARTEI."
Diese Werbung mag nicht jedermanns Geschmack sein. Das VG sieht in ihr aber keinen evidenten und ins Gewicht fallenden Verstoß gegen allgemeine Normen des Strafrechts – nur dann aber könnte eine Rundfunkanstalt die Ausstrahlung verweigern (Beschluss vom 16.08.2024 – 1 L 473/24, nicht rechtskräftig). Jasper Prigge, der das Eilverfahren für Die PARTEI Sachsen geführt hat, kommentiert die Entscheidung, dass die Parteien grundsätzlich frei darin seien, über den Inhalt von Wahlwerbung selbst zu bestimmen.
Offensichtlich nicht ernst gemeint
Für ein strafbares öffentliches Auffordern zu einer Straftat (§ 111 Abs. 1 StGB) – hier: das Erschießen von AfD-Wählern – fehlt es den Richtern und Richterinnen an der erforderlichen Ernstlichkeit: Das Geschehen sei satirisch stark überzeichnet. Fest macht das VG das insbesondere an der deutlichen Überreaktion der Protagonisten auf die Nachricht der Vereidigung der neuen Regierung, den geäußerten Beleidigungen und dem starken Dialekt der Sprecher.
An der fehlenden Ernstlichkeit lässt das VG auch eine evidente Strafbarkeit nach § 126 Abs. 1 Nr. 3 StGB scheitern. Nach dieser Norm werde bestraft, wer in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, einen Mord oder Totschlag androht. "Das Tatbestandsmerkmal des 'Drohens' ist aber nur erfüllt, wenn der Täter den Eindruck der Ernstlichkeit erziehen will", so das Gericht.
Keine Aufstachelung, keine verharmlosende Schilderung von Gewalttätigkeiten
Der Wahlwerbespot "Machtergreifung" stachele auch nicht im Sinne des § 130 Abs. 1 Nr. 1 StGB in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, gegen Teile der Bevölkerung zum Hass auf, oder fordere zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen auf. Denn dafür müsse der betreffende Bevölkerungsteil als "umrandetes Feindbild" identifizierbar und Dritte in der Lage sein, zu erkennen, ob jemand dem Personenkreis angehört oder nicht. Daran fehle es hier. "Denn es handelt sich bei den Wählern einer Partei schon aufgrund des Wahlgeheimnisses und der Tatsache, dass das eigene Wahlverhalten regelmäßig nicht öffentlich bekundet wird, […] gerade nicht um eine für Außenstehende klar abgegrenzte und erkennbare Gruppe", heißt es in dem Urteil.
Das VG schließt auch eine Strafbarkeit nach § 130a Abs. 2 StGB aus. Nach dieser Norm wird bestraft, wer eine Anleitung zu einer rechtswidrigen Tat liefert. Hier fehle es jedenfalls an der Eignung der Anleitung, diesen Zweck zu erreichen. Der Wahlwerbespot "Machtergreifung" enthalte keine speziellen unterweisenden Ausführungen dergestalt, dass sie für die Begehung von Tötungshandlungen von (vermeintlichen) AfD-Wählern hilfreich wären. Er erschöpfe sich in der oberflächlich bleibenden und wenig detailgetreuen Darstellung der Erschießung von (vermeintlichen) AfD-Wählern durch entsprechende Schuss- und Nachladegeräusche.
Der Spot begründe auch keine evidente Strafbarkeit nach § 131 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Nr. 1 2. Var. StGB – wegen Schilderung unmenschlicher Gewalttätigkeiten gegen Menschen in verharmlosender Art. Dafür müsse das Unmenschliche den wesentlichen Inhalt und zugleich Sinn der Schilderung ausmachen. Daran fehle es hier. Wesentlicher Inhalt und Sinn der Schilderung sei hier nämlich der Widerstand der Protagonisten des Werbespots gegen vermeintliche Nazis beziehungsweise die Notwendigkeit dazu ("Geht das wieder los, mit de Nazis", und "diesma schießen WIR zuerst!").
Abschließend verneint das VG auch eine Strafbarkeit nach § 140 Nr. 2 StGB. Den Äußerungen der Charaktere im Wahlwerbespot sei keine strafbare Billigung der Erschießung von (vermeintlichen) AfD-Wählern zu entnehmen. Der Spot sei in Zusammenschau mit seinem Schlusssatz zu sehen ("Bevor es zu spät ist: Wählen Sie die PARTEI.") Danach sei sein Sinngehalt so zu verstehen, dass die PARTEI das darin beschriebene Szenario gerade nicht wünsche, mithin auch nicht die Tötung von AfD-Wählern.