Videoüberwachung seit Übergriffen in Kölner Silvesternacht
Anlässlich der Vorkommnisse in der Kölner Silvesternacht 2015/2016 überwacht die Polizei mit fest installierten Videokameras seit 2017 Bereiche vor dem Hauptbahnhof und dem Dom sowie die Kölner Ringe. Seit 2019 wurde die Videoüberwachung auf weitere öffentliche Bereiche ausgeweitet (Neumarkt, Ebertplatz, Breslauer Platz, Wiener Platz). Dies wird damit begründet, dass es sich um Kriminalitätsschwerpunkte handele und nur mit der Beobachtung durch die Kameras und die Videoaufzeichnungen Straftaten effektiv verhindert werden könnten.
Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung verletzt?
Hiergegen wendet sich ein Kölner Bürger seit längerem mit mehreren Klagen und Eilanträgen. Zuletzt hatte das Gericht einem Eilantrag auf Einstellung der Videoüberwachung am Breslauer Platz bis zur Entscheidung im Hauptsacheverfahren stattgegeben. Das Verfahren ist nach Einlegung der Beschwerde durch die Polizei derzeit beim Oberverwaltungsgericht in Münster anhängig. Hinsichtlich des Neumarktes hatte der Antragsteller beantragt, es der Polizei bis zum Abschluss des Klageverfahrens zu untersagen, den Platz mittels Videokameras zu beobachten und Bildaufzeichnungen zu fertigen und zu speichern. Dies verletze ihn in seinem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung.
VG Köln: Neumarkt "Brennpunkt der Straßenkriminalität"
Das VG Köln folgt dieser Ansicht nicht. Die Voraussetzungen für die angegriffene Videoüberwachung am Neumarkt lägen vor, weil es sich um einen "Brennpunkt der Straßenkriminalität" handele. Dort lasse sich sowohl im Vergleich zum gesamten Kölner Stadtgebiet als auch in absoluten Zahlen eine signifikante Häufung von Straftaten aus dem Bereich der Straßenkriminalität (insbesondere Gewalt-, Eigentums-, Sexual- und BTM-Delikte) feststellen. Im Jahr 2019 und dem ersten Halbjahr 2020 seien rund 2% aller in Köln begangenen Straßenkriminalitätsdelikte am Neumarkt verzeichnet worden.
Jedes 50. Straßenkriminalitätsdelikt in Köln am Neumarkt begangen
In absoluten Zahlen seien in den genannten Zeiträumen 1.876 beziehungsweise 706 Delikte aus dem Bereich der Straßenkriminalität festgestellt worden, so das VG. Während damit am Neumarkt jedes 50. Straßenkriminalitätsdelikt in Köln begangen worden sei, werde am Breslauer Platz, den die Kammer nicht für einen Straßenkriminalitätsbrennpunkt hält, nur jedes 500. entsprechende Delikt begangen. Auch die Beschaffenheit des Neumarktes, insbesondere mit vielen Zugängen zur U-Bahn als Fluchtmöglichkeit für potentielle Täter, begünstige die Begehung von Straftaten.
Öffentliche Interesses an Verhinderung und Verfolgung von Straftaten überwiegt
Die Videoüberwachung des Neumarktes sei auch verhältnismäßig, so das Gericht weiter. Zwar stelle sie einen erheblichen Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung dar, insbesondere weil von ihr grundsätzlich unterschiedslos alle Personen erfasst würden, die sich im überwachten Bereich aufhielten. Diese Beeinträchtigung sei jedoch durch das überwiegende öffentliche Interesse an der Verhinderung und Verfolgung von Straftaten der Straßenkriminalität gerechtfertigt. Zum einen sei die Live-Beobachtung über Kameras wegen der "Vogelperspektive" und der Zoommöglichkeiten effektiver als eine Beobachtung durch Polizeikräfte vor Ort. Zum anderen ermöglichten die Aufnahmen die Identifizierung von Straftätern und stellten ein verlässlicheres Beweismittel als Zeugenaussagen dar.
Pflicht zu Verpixelung bestimmter Bereiche bleibt
Das VG hat der Polizei in seinem Beschluss allerdings aufgegeben, (weiterhin) sicherzustellen, dass Eingänge von Wohn- und Geschäftshäusern, das Kölner Gesundheitsamt und Kraftfahrzeugkennzeichen verpixelt werden.