VG Köln: Verfassungsschutz darf Identitäre Bewegung nicht als "gesichert rechtsextremistisch" bezeichnen

Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) muss die Mitteilung widerrufen, die Identitäre Bewegung Deutschland e.V. werde als "gesichert rechtsextremistische Bestrebung gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung“ eingestuft. Dies hat das Verwaltungsgericht Köln mit Beschluss vom 25.09.2019 (Az.: 13 L 1667/19) entschieden und damit einem Eilantrag der Identitären Bewegung stattgegeben.

Innenministerium sagte zu nur von "Verdachtsfall" zu sprechen

In Schriftsätzen vom Dezember 2018 und Januar 2019 hatte das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat in einem vor dem Verwaltungsgericht Berlin geführten Eilverfahren (Az.: VG 1 L 605/17) der Identitären Bewegung die Zusage erteilt, dass sie in künftigen Verlautbarungen, die sich aus sicherheitsbehördlicher Sicht mit der Identitären Bewegung im Kontext des Rechtsextremismus befassen, jeweils klarstellen werde, dass diese insoweit lediglich einen "Verdachtsfall“ darstelle, solange über sie in den Verfassungsschutzberichten lediglich als Verdachtsfall berichtet werde. In dem am 27.06.2019 veröffentlichten Verfassungsschutzbericht 2018 wird die Identitäre Bewegung weiterhin – lediglich – als Verdachtsfall eingestuft.

BfV spricht gleichwohl von "gesichert rechtsextremistisch"

In einer Pressemitteilung vom 11.07.2019 erklärte das BfV dann aber, es stufe die Identitäre Bewegung als "gesichert rechtsextremistische Bestrebung gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung“ ein. Eine entsprechende Mitteilung veröffentlichte das BfV auch auf seiner Internetseite. Zur Begründung führte es unter anderem aus, die Identitäre Bewegung ziele letztlich darauf ab, Menschen mit außereuropäischer Herkunft von demokratischer Teilhabe auszuschließen und sie in einer ihre Menschenwürde verletzenden Weise zu diskriminieren.

VG: BfV verstößt gegen verbindliche Selbstverpflichtung

Die Identitäre Bewegung sah in dieser Pressemitteilung des BfV einen Verstoß gegen die in dem Berliner Verfahren abgegebene Zusage und beantragte beim Verwaltungsgericht Köln den Erlass einer einstweiligen Anordnung. Das Gericht hat dem Antrag stattgegeben. Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus, das dem Innenministerium unterstellte BfV habe durch die in der Pressemitteilung vom 11.06.2019 erfolgte Verlautbarung, die Identitäre Bewegung werde als gesichert rechtsextremistisch eingestuft, gegen die in der schriftlichen Zusage eingegangene verbindliche Selbstverpflichtung verstoßen.

Nur andere Gefahreneinstufung kann Bindungswirkung entfallen lassen

Diese habe auch weiterhin Bestand, weil sich die tatsächlichen Umstände nicht derart geändert hätten, dass die Bindungswirkung entfallen wäre, so das VG weiter. Denn der am 27.06.2019 veröffentlichte Verfassungsschutzbericht 2018 lege den Erkenntnisstand von Juni 2019 zugrunde. Die als Beleg für die am 11.07.2019 – nur zwei Wochen nach Veröffentlichung des Verfassungsschutzberichts 2018 – verlautbarte Neubewertung angeführten tatsächlichen Anhaltspunkte seien sämtlich nicht innerhalb dieses kurzen Zeitraums gewonnen worden. Sie seien dem BfV und dem Ministerium vielmehr bereits bei Vorstellung des Verfassungsschutzberichtes 2018 bekannt gewesen, ohne dass dies dazu geführt hätte, den Antragsteller nicht mehr als bloßen Verdachtsfall zu qualifizieren.

Verstoß gegen mehrere Grundrechte

Durch die Verlautbarungen sei der Antragsteller in seinem durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) gewährleisteten sozialen Achtungsanspruch sowie seinem Grundrecht auf freie Meinungsäußerung (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG) verletzt, so das VG weiter. Gegen den Beschluss ist die Beschwerde möglich, wie das Gericht mitteilte.

VG Köln, Beschluss vom 25.09.2019 - 13 L 1667/19

Redaktion beck-aktuell, 26. September 2019.

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