Kläger verweisen auf Grablegung Jesu und mittelalterliche Tradition
Die Kläger, ein Ehepaar, gehören der Evangelischen Landeskirche in Baden sowie dem Zentralrat orientalischer Christen in Deutschland an. Sie hatten sich darauf berufen, die Erdbestattung in einem Leintuch sei ein urchristlicher Ritus, der heute unter anderem noch bei der christlich-koptischen Glaubensgemeinschaft sichtbar sei. Er leite sich direkt aus der Bibel ab. Täufling und Leichnam würden danach nur in ein Leintuch gehüllt. Dies entspreche auch der Grablegung Jesu. Die Muslime hätten diesen ursprünglichen Bestattungsritus bewahrt. Dass Christen anders als Muslime im Holzsarg beerdigt würden, sei nur der Tradition geschuldet. Im Mittelalter sei die sarglose Bestattung demgegenüber noch üblich gewesen und werde bis in die Gegenwart bei Kartäusern und Trappisten praktiziert. Sie gehöre zum gemeinsamen Kern der drei Religionen Judentum, Christentum und Islam. Die örtliche evangelische Kirchengemeinde unterstütze ihr Anliegen.
Ehepaar klagt gegen Ablehnung der Tuchbestattung
Die Gemeinde Angelbachtal lehnte den Antrag der Kläger, ihnen vor diesem Hintergrund eine Leintuchbestattung zu genehmigen, im November 2017 ab. Das Bestattungsgesetz erlaube in ihrem Fall keine Leintuchbestattung. Unabhängig davon könne eine solche Entscheidung nicht bereits im Vorfeld getroffen werden, sondern erst bei Vorliegen eines konkreten Sterbefalls. Den von den Klägern hiergegen erhobenen Widerspruch wies das Landratsamt Rhein-Neckar-Kreis mit Widerspruchsbescheid im Juli 2018 zurück. Nach mündlicher Verhandlung am 19.09.2019 hat die 12. Kammer des VG Karlsruhe die Klage des Ehepaars auf Feststellung, dass sie nach ihrem Tod auf dem Friedhof der beklagten Gemeinde ohne Sarg in einem Leintuch bestattet werden dürfen abgewiesen, wegen grundsätzlicher Bedeutung aber die Berufung zugelassen.
Kein Anspruch aus dem Bestattungsgesetz
Die 12. Kammer ist zu der Auffassung gelangt, dass den Klägern gemäß § 39 Abs. 1 Satz 3 des baden-württembergischen Bestattungsgesetzes kein Anspruch zustehe, nach ihrem Tod sarglos in Tüchern bestattet zu werden. Nach der Vorschrift können Verstorbene, deren Religionszugehörigkeit eine Bestattung ohne Sarg vorsieht, in Tüchern erdbestattet werden, sofern keine gesundheitlichen Gefahren zu befürchten sind. Zwar sei die Regelung bei einer Auslegung im Lichte des Grundgesetzes nicht von vornherein auf Angehörige der muslimischen Religionsgemeinschaften beschränkt. Die Religionszugehörigkeit der Kläger sehe aber eine Bestattung ohne Sarg nicht vor. Es sei den Klägern nicht gelungen, die Existenz einer Glaubensregel ihrer Religionsgemeinschaft darzulegen, die diese Bestattungsart gebiete.
Wunsch nach sargloser Bestattung nicht ausreichend
So ergebe sich aus ihren Ausführungen nicht, dass sie die sarglose Bestattung als verpflichtendes religiöses Gebot empfinden würden. Nur in diesem Fall werde aber die grundrechtlich nach Art. 4 GG geschützte Glaubens- und Bekenntnisfreiheit tangiert, so das Gericht. Die Kläger hätten in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, ihr Wunsch nach einer sarglosen Bestattung beruhe nicht auf einem Glaubenssatz, sondern sei emotional begründet. Es würde sie nicht in Gewissensnot bringen, sich im Sarg bestatten zu lassen, sie hätten aber einfach ein besseres Gefühl bei einer sarglosen Bestattung. Dieser auch durch ihren Glauben motivierte Wunsch der Kläger genügt nach Auffassung des Gerichts zur Begründung eines Anspruchs auf Leintuchbestattung ebenso wenig wie die Zugehörigkeit zu einer Religion, die eine sarglose Bestattung lediglich nicht verbietet.
Keine Ungleichbehandlung wegen des Glaubens
Hierin liege auch keine nach Art. 3 Abs. 3 GG verbotene Ungleichbehandlung wegen des Glaubens oder der religiösen Anschauungen, so das VG. Der Sargzwang gelte vielmehr grundsätzlich für jedermann unabhängig von der Religion. Soweit die Ausnahmevorschrift an das Bestehen einer als verpflichtend empfundenen Glaubensregel anknüpfe, liege hierin keine unzulässige Diskriminierung wegen religiöser Anschauungen. Es handle sich vielmehr um eine sachlich gerechtfertigte Abgrenzung zu bloßen individuellen Wunschvorstellungen.