VG Karlsruhe: Polizeimaßnahmen gegen NPD-Parteitagsgegnerin überwiegend rechtmäßig

Die von der Polizei gegen eine Gegnerin des NPD-Parteitags 2015 ergriffenen Maßnahmen, darunter deren Ingewahrsamnahme, waren weitgehend rechtmäßig. Dies hat das Verwaltungsgericht Karlsruhe mit Urteil vom 10.12.2018 entschieden und die Klage der Gegnerin überwiegend abgewiesen (Az.: 1 K 6428/16).

Klägerin im Vorfeld der Versammlung eingekesselt und festgenommen

Am 21.11.2015 fanden in Weinheim verschiedene gegen den NPD-Parteitag gerichtete Veranstaltungen statt. Die Klägerin reiste am Morgen des 21.11.2015 mit einem von mehreren Reisebussen antifaschistischer Gruppierungen nach Weinheim, um an den angemeldeten Gegenveranstaltungen teilzunehmen. Nachdem die Businsassen ausgestiegen waren und ein Teil der etwa 200, überwiegend schwarz gekleideten Personen versucht hatte, eine Polizeisperre in der Birkenauer Talstraße zu überrennen, kesselte die Polizei die Businsassen ein. Sodann wurden sie einzeln aus dem Polizeikessel herausgeführt, ihre Personalien festgestellt und von ihnen Lichtbilder angefertigt. Anschließend wurden die Festgenommenen einschließlich der an den Händen gefesselten Klägerin mit Linienbussen zur Justizvollzugsanstalt Mannheim verbracht. Bevor die Klägerin in Mannheim am Nachmittag entlassen wurde, wurde ihr ein Platzverweis für das Stadtgebiet von Weinheim bis zum Ende des Wochenendes erteilt.

VG: Ingewahrsamnahme der Klägerin war rechtmäßig

Das VG hat die Klage überwiegend abgewiesen. Die gegen die Klägerin gerichteten Polizeimaßnahmen seien weitgehend rechtmäßig gewesen. Zum Zeitpunkt ihrer Ingewahrsamnahme sei die Klägerin noch nicht Teil einer Versammlung im Sinne des Versammlungsgesetzes gewesen. Die auf Grundlage des Polizeigesetzes vorgenommene Ingewahrsamnahme der Klägerin von der Einkesselung bis zu ihrer Entlassung am Nachmittag in Mannheim sei rechtens gewesen. Dabei komme es nicht darauf an, dass von der Klägerin selbst keine Bedrohung oder Störung ausgegangen sei. Denn ein polizeiliches Vorgehen sei auch gegenüber Personen möglich, die zwar selbst keine Gefahr verursachten, deren Verhalten aber objektiv geeignet sei, bei einem fähigen, besonnenen und sachkundigen Polizeibeamten den Eindruck zu erwecken, sie würden eine Gefahr verursachen (sogenannter Anscheinsstörer).

Fehlende Gewaltbereitschaft der Klägerin für Polizei nicht erkennbar

Laut VG ist dies bei der mit einer schwarzen Jacke bekleideten Klägerin der Fall gewesen. Denn aus Sicht der Polizeibeamten sei nicht zu erkennen gewesen, dass sie sich von dem Handeln der gewalttätigen Personen klar distanziert hätte oder unabhängig von den gewalttätigen Personen in der Birkenauer Talstraße anwesend gewesen wäre. Angesichts des sich innerhalb von wenigen Minuten entwickelnden Geschehens habe die Polizei nicht erkennen können, bei welchen der weitgehend einheitlich gekleideten und gemeinsam angereisten Personen es sich um nicht gewaltbereite Personen gehandelt habe.

Dauer des Gewahrsams war verhältnismäßig

Auch die Dauer des Gewahrsams der Klägerin sei nicht unverhältnismäßig, so das VG weiter. Die Prognose der Polizeibeamten, wonach sich die festgehaltenen Personen im Fall ihrer früheren Entlassung unmittelbar wieder nach Weinheim begeben hätten, sei nicht zu beanstanden. Während des Gewahrsams habe für die Klägerin auch ausreichend Gelegenheit für erforderliche Toilettengänge bestanden. Auch die Personalienfeststellung und die Anfertigung von Lichtbildern der Klägerin seien zulässig gewesen.

Fesselung mit "Plastikeinwegschließen" rechtswidrig

Für rechtswidrig erachtete das VG allerdings das "Schließen" der Klägerin mit "Plastikeinwegschließen" auf dem Rücken während des Transports von Weinheim nach Mannheim. Es habe an Anhaltspunkten dafür gefehlt, dass die Klägerin nach ihrer Verbringung in den Bus Widerstand leisten oder sich gewalttätig verhalten werde.

Platzverweis ebenfalls rechtswidrig

Auch den gegenüber der Klägerin ausgesprochenen Platzverweis erachtete das VG für rechtswidrig. Anders als zum Zeitpunkt ihrer Ingewahrsamnahme sei die Klägerin im Zeitpunkt der Aussprache des Platzverweises keine Anscheinsstörerin mehr gewesen. Zum einen habe die Polizei die Klägerin vor dem Platzverweis nicht angehört. Zum anderen hätte die Polizei zumindest die von der versuchten Stürmung der Polizeisperre gefertigten Videoaufnahmen und Lichtbilder auswerten müssen, um herausfinden, ob die Klägerin an den Gewalttaten beteiligt gewesen sei.

VG Karlsruhe, Urteil vom 10.12.2018 - 1 K 6428/16

Redaktion beck-aktuell, 9. Januar 2019.

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