VG Karlsruhe: Einbürgerungswilliger Bosnier muss seine Staatsangehörigkeit aufgeben

Es besteht grundsätzlich kein Anspruch auf Einbürgerung, wenn der Einbürgerungwillige nicht bereit ist, seine Staatsangehörigkeit aufzugeben. Etwas anderes gilt nur, wenn nachweislich besonders schwierige Bedingungen für die Aufgabe der Staatsangehörigkeit vorliegen. Solche konnte das Verwaltungsgericht Karlsruhe mit Urteil vom 01.03.2017 in den vom Kläger vorgetragenen Gründen nicht finden (Az.: 4 K 2840/16).

Sachverhalt

Der 1989 geborene Kläger, ein Bosnier, reiste 1993 mit seinen Eltern in die Bundesrepublik Deutschland ein. 2015 beantragte er seine Einbürgerung mit der Maßgabe, seine bosnisch-herzegowinische Staatsangehörigkeit nicht aufgeben zu müssen. Diesen Antrag lehnte das Landratsamt mit der Begründung ab, eine Einbürgerung setze grundsätzlich voraus, dass der Ausländer seine bisherige Staatsangehörigkeit aufgebe. Nach erfolglosem Widerspruchsverfahren erhob der Bosnier Klage. Der Kläger berief sich auf die Ausnahmeregelung des § 12 StAG.

Kläger wollte Staatsangehörigkeit nicht aufgeben

Die Aufgabe seiner Staatsangehörigkeit wäre die Vollendung des in den Jahren 1992 bis 1995 erfolgten Genozids an den Bosniern, so der Mann. Denn damit verspotte er das dadurch entstandene Leid. Das Recht, seinem Gewissen zu folgen, sei grundrechtlich verbürgt. Im Übrigen würden ihm bei Aufgabe seiner Staatsangehörigkeit Nachteile vermögensrechtlicher Art entstehen, denn Bosnier würden in der Republika Srpska, in der seine Eltern Grundeigentum hätten, diskriminiert. Es bestehe die Gefahr, dass die Republika Srpska aus dem Staat Bosnien und Herzegowina mit der Folge ausscheide, dass bosnischen Staatsangehörigen und Menschen nicht serbischer Herkunft keine Rechte mehr zugestanden würden.

VG: Keine Einbürgerung des Klägers ohne Aufgabe der Staatsangehörigkeit

Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Einbürgerung, weil er nicht bereit sei, seine Staatsangehörigkeit aufzugeben. Die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Ausnahme von dem Erfordernis der Aufgabe der bisherigen Staatsangehörigkeit lägen nicht vor. Zum einen entstünden dem Kläger durch die Aufgabe der bosnisch-herzegowinischen Staatsangehörigkeit keine erheblichen Nachteile. Zwar könnten Erbrechtsbeschränkungen als ein erheblicher Nachteil anzusehen sein. Dies gelte regelmäßig aber erst nach Eintritt des Erbfalls. Zuvor könne sich der Kläger lediglich auf eine Erwerbschance berufen.

Angeblicher Gewissenskonflikt nicht nachvollziehbar

Im Übrigen habe er einen Zusammenhang zwischen einer (drohenden) Diskriminierung durch die Republika Srpska und dem Verlust der bosnisch-herzegowinischen Staatsangehörigkeit nicht plausibel dargelegt. Zum anderen rechtfertige der vom Kläger behauptete Gewissenskonflikt keine Ausnahme von dem Erfordernis der Aufgabe der bisherigen Staatsangehörigkeit. Sein Vorbringen, die Aufgabe seiner bosnisch-herzegowinischen Staatsangehörigkeit wäre die Vollendung des Genozids an den Bosniern, überzeuge nicht. Es sei fernliegend, dass durch die Aufgabe einer Staatsangehörigkeit Verbrechen relativiert würden oder eine Geringschätzung für die Leiden eines Volkes ausgedrückt werde.

Aufgabe der Staatsangehörigkeit nicht unzumutbar

Der Verlust der Staatsangehörigkeit ändere nichts an der Herkunft einer Person und führe auch nicht dazu, dass sie ihr Gedächtnis korrigieren müsste. Warum die Aufgabe seiner Staatsangehörigkeit gleichwohl ein Verrat an den Kriegsopfern sein solle, den er mit seinem Gewissen nicht vereinbaren könne, habe der Kläger nicht nachvollziehbar dargelegt. Der Gesetzgeber habe sich gegen eine uneingeschränkte Hinnahme von Mehrstaatigkeit entschieden. Die sich daraus ergebende Notwendigkeit, sich zwischen der deutschen und der ausländischen Staatsangehörigkeit zu entscheiden, sei nicht als solche schon unzumutbar. Verfassungsrechtliche Bedenken bestünden insoweit nicht.

VG Karlsruhe, Urteil vom 01.03.2017 - 4 K 2840/16

Redaktion beck-aktuell, 14. März 2017.

Mehr zum Thema