Zu intransparent: Computergestützter Polizei-Auswahltest war rechtswidrig
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Bei der Auswahl von Bewerberinnen und Bewerbern für öffentliche Ämter sind strikte Regeln einzuhalten – auch in Sachen Transparenz. Ein digitaler "Selbsteinschätzungstest" für den Polizeivollzugsdienst wurde dem nicht gerecht, sagte das VG Karlsruhe.

Der Bewerbungsverfahrensanspruch des Art. 33 Abs. 2 GG gibt nicht nur ein Recht auf leistungsorientierte Auswahl, sondern auch auf eine gewisse Nachvollziehbarkeit der Auswahlentscheidung. Ein computergestützter Auswahltest für den mittleren bzw. gehobenen Polizeidienst genügte dem nicht, da der Zusammenhang zwischen der "Selbsteinschätzung" der Kandidatinnen und Kandidaten und dem Endergebnis nicht transparent genug war, so das VG Karlsruhe (Urteil vom 29.07.2025 – 12 K 3606/24).

Im Oktober 2023 bewarb sich ein Interessent im "digitalen Bewerberportal" der Polizeihochschule auf eine Einstellung in den mittleren bzw. gehobenen Polizeivollzugsdienst. In den Bewertungskategorien "Einstellung und Motivation", "Arbeitsverhalten" und "Sozialverhalten" lag er jeweils nur knapp unter dem Grenzwert von 100 Punkten und wurde daher letztlich abgelehnt. Nach erfolglosem Widerspruch erhob er Klage zum VG Stuttgart und beanstandete, dass seine Ablehnung nicht hinreichend begründet worden sei.

Polizeihochschule sah sich im Recht

Man könne – so der Bewerber - nicht nachvollziehen, inwiefern seine Testantworten tatsächlich in das Ergebnis eingeflossen seien. Die Hochschule bzw. das Land Baden-Württemberg standen jedoch hinter der verwendeten Software im streitigen Testteil 3: Mit stufenlosen Schiebereglern antworteten die Kandidatinnen und Kandidaten auf insgesamt 58 Fragen zur eigenen Befähigung. Das System berechnete das Ergebnis laut Hochschule beruhend auf "wissenschaftlichen Verfahren, die durch Psychologen erstellt" worden seien. Außerdem sei die Berechnung DIN-zertifiziert (DIN 33430).

Das VG Stuttgart verwies die Sache an das VG Karlsruhe, das erhebliche Zweifel an dem Auswahltest hegte. Die Fortsetzungsfeststellungsklage des Beamten, die von einer Verpflichtungsklage umgestellt worden war, hatte Erfolg. Das Gericht stellte fest, dass die Polizeihochschule den verfassungsrechtlichen Bewerbungsverfahrensanspruch verletzt hatte – und das in vierfacher Hinsicht.

Leistungsprinzip und Transparenz gehen Hand in Hand

Die 12. Kammer des VG stellte zunächst klar, dass es eine weitere Dimension zum wohlbekannten Leistungsprinzip des Art. 33 Abs. 2 GG gebe. Nicht nur hätten Bewerberinnen und Bewerber auf öffentliche Ämter demnach einen Anspruch auf die Beurteilung allein nach leistungsorientierten Kriterien, auch müssten die getroffenen Auswahlerwägungen schriftlich niedergelegt werden. Erst dann sei es den Bewerberinnen bzw. Bewerbern sowie den Gerichten möglich, die getroffene Entscheidung sachgerecht zu kontrollieren.

Wie auch der Bewerber störte sich das Gericht hier an dem dritten Testteil – der "Selbsteinschätzung". Die Kategorien, in denen er unter dem Grenzwert lag, seien nach Aussagen der Hochschule zum Teil in persönlichen Interviews und zum Teil in dem digitalen Persönlichkeitsfragebogen abgeprüft worden. Der Selbsteinschätzungsbogen floss – wie nun im Gerichtsverfahren klar wurde – zu einem Siebtel in die Endbewertung ein. Die zugrunde gelegte Standardskala richte sich nach Referenzgruppen der jeweiligen Leistungsniveaus (gehobener bzw. mittlerer Polizeivollzugsdienst). Die Hochschule konnte dem Gericht zwar die Gewichtung der einzelnen Kategorien erklären, nicht aber den Einfluss der stufenlosen Schieberegler auf den errechneten Wert.

Verletzung auf vier Ebenen

Die Kammer sah die Dokumentationspflicht hier "auf vier Ebenen verletzt". Erstens seien die Fragen der Selbsteinschätzung für sich genommen schon nicht dokumentiert worden. Zweitens seien die "Antworten" bzw. die Positionen der Schieberegler des Bewerbers nicht dokumentiert worden. Drittens sei der erwartete Normwert der Regler nicht hinterlegt. Und viertens fehle es auch an einer dokumentierten Begründung dafür, warum bestimmte Normwerte so festgelegt waren.

Die ersten drei Fehler könnten zwar mithilfe eines Administrators nachträglich eingesehen werden, spätestens der vierte Fehler sei aber nicht mehr heilbar. Es bleibe im Dunkeln, ob die hinterlegten Normwerte vor dem Hintergrund des Art. 33 Abs. 2 GG tatsächlich an verfassungsgemäßen Kriterien orientiert waren. Daran ändere auch die DIN 33430 ("Anforderungen an berufsbezogene Eignungsdiagnostik") nichts, die das Land hier als Gegenargument einbrachte. Es sei schon nicht ersichtlich, inwieweit die Anforderungen der Norm mit den grundgesetzlichen Anforderungen an Beamtenauswahlverfahren übereinstimmten. Die DIN 33430 werde vor allem im arbeitsrechtlichen, nicht aber im beamtenrechtlichen Kontext diskutiert. Das Land hätte ihre konkrete Relevanz hier darlegen müssen, anstatt allgemein auf sie zu verweisen.

Aufgrund grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache wurde die Berufung zugelassen. Nach Auskunft der Hochschule, so das VG, durchliefen jährlich 2.500 bis 3.000 Bewerber diesen Test.

VG Karlsruhe, Urteil vom 29.07.2025 - 12 K 3606/24

Redaktion beck-aktuell, tbh, 30. September 2025.

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