Schülerin darf "erdnussfreie" Schule besuchen

Eine Schülerin, die unter einer schweren Erdnussallergie leidet, hat vor Gericht erreicht, dass sie eine "erdnussfreie" Schule, die außerhalb des für sie zuständigen Schulbezirks liegt, besuchen darf. Der Klägerin sei eine Ausnahmegenehmigung zum Besuch dieser Schule zu erteilen, entschied das Verwaltungsgericht Hannover. Die "erdnussfreie" Schule sei von erheblichem Vorteil für ihr Leben und ihre Gesundheit. Dahinter müsse der öffentliche Belang an der Einhaltung der Schulbezirke zurücktreten.

Eltern: Schon kleinste Erdnussmengen können lebensbedrohlich sein

Die vertretungsberechtigten Eltern der 2015 geborenen Schülerin hatten geltend gemacht, dass der Kontakt zu kleinsten Mengen an Erdnuss bei ihrer Tochter zu lebensbedrohlichen anaphylaktischen Reaktionen führen könne. Bei der Grundschule, die sie gerne besuchen wolle, handele es sich um eine vom Nuss-Anaphylaxie-Netzwerk e.V. anerkannte "erdnussfreie" Schule. Dort seien insbesondere die Lehrkräfte entsprechend für anaphylaktische Notfälle geschult.

Beklagte: Erdnussallergie keine Besonderheit

Die Beklagte lehnte die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung ab. Sie trug vor, dass die Erdnussallergie der Klägerin keine eine Ausnahmegenehmigung rechtfertigende Besonderheit darstelle. Es gebe inzwischen viele Kinder, die unter allergischen Reaktionen leiden würden und Notfallsets bei sich trügen. Zudem seien alle Lehrkräfte an niedersächsischen Schulen für medizinische Notfälle geschult. Der Zusatz "erdnussfreie Schule" stelle schließlich auch keinen Zusatz dar, der der Schule vom Kultusministerium überreicht worden sei.

VG: Besuch der Pflichtschule unzumutbare Härte

Dem Vortrag der Beklagten ist das Gericht nicht gefolgt. Die Klägerin habe einen Anspruch auf die Erteilung der begehrten Ausnahmegenehmigung nach § 63 Abs. 3 Satz 4 Nr. 1 des Niedersächsischen Schulgesetzes. Hiernach könne ausnahmsweise der Besuch einer anderen Schule gestattet werden, wenn der Besuch der zuständigen Schule (Pflichtschule) für die betroffene Schülerin oder den betroffenen Schüler oder deren Familien eine unzumutbare Härte darstelle. Der Besuch der Pflichtschule anstelle der Wunschschule stelle für die Klägerin eine solch unzumutbare Härte dar.

Risiko einer Anaphylaxie an Wunschschule fast null

Bei einem Besuch der Wunschschule sei das Risiko einer Anaphylaxie im Verhältnis zu einem Besuch der Pflichtschule praktisch auf Null reduziert, da es sich um eine sogenannte erdnussfreie Schule mit einem entsprechenden erprobten und in der Praxis bewährten Konzept handele. Von Bedeutung sei hierbei nicht, dass es sich um keinen vom Kultusministerium überreichten Zusatz handele. Entscheidend sei die Tatsache, dass an der Schule eine erdnussfreie Umgebung herrsche. Wäge man diesen erheblichen Vorteil für das Leben und die Gesundheit der Klägerin auf der einen Seite mit dem öffentlichen Belang an der Einhaltung der Schulbezirke auf der anderen ab, so habe der öffentliche Belang im konkreten Einzelfall zurückzutreten.

Zulassung der Berufung möglich

Gegen die Entscheidung kann vor dem Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht in Lüneburg die Zulassung der Berufung beantragt werden.

VG Hannover, Beschluss vom 16.11.2021 - 6 A 3907/21

Redaktion beck-aktuell, 17. November 2021.