VG Hannover: Verkehrsüberwachung mittels "Section Control" entbehrt gesetzlicher Grundlage

Auf der B6 in Laatzen zwischen den Anschlussstellen Gleidingen und Laatzen dürfen vorerst keine Streckenradar-Kontrollen mehr durchgeführt werden. Das Verwaltungsgericht Hannover hat am 12.03.2019 dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung (Az.: 7 B 850/19) sowie einer Klage (Az.: 7 A 849/19) stattgeben, mit denen der Antragsteller und Kläger begehrte, dass das Land Niedersachsen es unterlässt, Geschwindigkeitskontrollen mittels den als "Section Control" bezeichneten Anlagen durchzuführen. In seiner Begründung verwies das Gericht auf die fehlende gesetzliche Grundlage für diese Art der Verkehrsüberwachung.

Erfassung greift in informationelles Selbstbestimmungsrecht ein

Durch "Section Control" werden die Kfz-Kennzeichen aller in dem überwachten Abschnitt einfahrenden Fahrzeuge erfasst. Auch wenn diese beim 2,2 Kilometer entfernten Ausfahren im sogenannten Nichttrefferfall gelöscht werden, bedarf es nach den Ausführungen des Gerichts für deren Erfassung – sowohl im sogenannten Treffer- als auch im sogenannten Nichttrefferfall – einer gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage. Mit der Erfassung werde in das verfassungsrechtlich garantierte informationelle Selbstbestimmungsrecht eingegriffen. Für einen solchen Eingriff bedürfe es stets – auch ungeachtet der jeweiligen Schwere des Eingriffs – einer gesetzlichen Grundlage.

Erforderliche gesetzliche Grundlage fehlt

Dass "Section Control" sich noch im Probebetrieb befinde, ändere hieran nichts, so das VG. Dies folge auch aus dem jüngsten Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 18.12.2018 zur automatisierten Kraftfahrzeugkennzeichenkontrolle zum Abgleich mit dem Fahndungsbestand. An einer solchen gesetzlichen Grundlage fehle es hier. Dies zeige sich nicht zuletzt darin, dass im Niedersächsischen Landtag ein entsprechender Gesetzentwurf zur Änderung des Niedersächsischen Polizeirechts (LT-Drs. 18/850) eingebracht sei, in dem mit § 32 Abs. 8 NPOG-E eine Rechtsgrundlage geschaffen werden solle.

Frage der Gesetzgebungskompetenz konnte offen gelassen werden

Ob eine solche Rechtsgrundlage in die Gesetzgebungskompetenz des Landes Niedersachsen falle oder der Bundesgesetzgeber tätig werden müsste, ließ das VG dahingestellt, da jedenfalls zum jetzigen Zeitpunkt weder auf Bundes- noch auf Landesgesetzesebene eine Ermächtigungsgrundlage existiere.

Probebetrieb rechtfertigt keine andere rechtliche Bewertung

Der Antragsteller und Kläger müsse einen Eingriff in seine Rechte auch nicht während eines Probebetriebes von "Section Control" hinnehmen. Aus dem Rechtsstaatsprinzip und dem Gewaltenteilungsgrundsatz folge, dass die Exekutive nicht selbst so handeln darf, als hätte der Gesetzgeber sie hierzu schon ermächtigt. Der Staat sei auch nicht zwingend auf "Section Control" angewiesen. Er könne die Verkehrsüberwachung bis zur Schaffung einer Rechtsgrundlage auch auf andere Weise durchführen.

Entscheidungen noch anfechtbar

Das Land Niedersachsen kann hinsichtlich des Eilverfahrens in die Beschwerde gehen. Das VG hat im Klageverfahren die Berufung zugelassen.

VG Hannover, Entscheidung vom 12.03.2019 - 7 A 849/19

Redaktion beck-aktuell, 13. März 2019.