Eilantrag gegen verkürzte Geltung des Genesenennachweises erfolgreich

Das Verwaltungsgericht Hamburg hat gestern einem Eilantrag stattgegeben, mit dem sich der Antragsteller gegen die Verkürzung der Gültigkeitsdauer seines Genesenennachweises auf 90 Tage gewandt hatte. Das Gericht vertrat die Auffassung, dass die der Verkürzung zugrundeliegende Norm schon aufgrund der Regelungstechnik voraussichtlich verfassungswidrig und somit unwirksam ist.

Gültigkeitsdauer von sechs auf drei Monate verkürzt

Nach derzeit geltender Rechtslage in Hamburg ist der Genesenennachweis der einzige Ersatz zum Impfnachweis als Voraussetzung für den Zugang zu bestimmten Betrieben, Einrichtungen und Veranstaltungen. Für den Genesenennachweis verweist § 2 Abs. 6 Coronavirus-Eindämmungsverordnung auf die Schutzmaßnahmen-Ausnahmenverordnung des Bundes (SchAusnahmV). § 2 Nr. 5 SchAusnahmV in der Fassung vom 08.05.2021 sah ursprünglich eine Gültigkeitsdauer von sechs Monaten nach festgestellter Infektion vor. Die Bundesregierung änderte diese Vorschrift mit Verordnung vom 14.01.2022 dahingehend, dass für den Genesenenstatus die im Internet veröffentlichten Vorgaben des Robert Koch-Instituts (RKI) maßgeblich sind. Nach der fachlichen Vorgabe des RKI vom 15.01.2022 gilt insoweit eine verkürzte Gültigkeitsdauer von höchstens 90 Tagen.

VG sieht Rechtsstaats- und Demokratieprinzip verletzt

Der Antragsteller hatte sich im Oktober 2021 mit dem Coronavirus infiziert. Auf seinen Eilantrag hat das Verwaltungsgericht vorläufig festgestellt, dass die Verkürzung der Dauer des Genesenenstatus für den Antragsteller nicht gilt. Es hält nämlich § 2 Nr. 5 SchAusnahmV schon aufgrund der Regelungstechnik für voraussichtlich verfassungswidrig und somit unwirksam. Denn die Regelung verstoße aufgrund der Bezugnahme auf die vom RKI jeweils im Internet veröffentlichten Anforderungen gegen das Rechtsstaats- und Demokratieprinzip. Es begegne grundsätzlichen Bedenken, dass der Verordnungsgeber - die Bundesregierung - das Robert Koch-Institut pauschal ermächtigt habe, eine grundrechtsrelevante Regelung zur Gültigkeit eines Genesenennachweises zu treffen. Der Verweis auf die fachlichen Vorgaben des RKI verstoße zudem gegen das rechtsstaatliche Publizitätserfordernis. Die Möglichkeit der Kenntnisnahme werde unzumutbar erschwert, weil eine Verweisung auf eine Internetseite die Folge habe, dass sie sich nahezu sekündlich ändern könne und nicht gewährleistet sei, dass die jeweils zu einem bestimmten Zeitpunkt geltende Rechtslage mit Gewissheit nachzuvollziehen sei.

Überschreitung der Ermächtigung durch das Infektionsschutzgesetz

Die Bundesregierung als Verordnungsgeber überschreite zudem mit der dynamischen Verweisung die Grenzen ihrer Ermächtigung durch das Infektionsschutzgesetz. Schließlich sei die in § 2 Nr. 5 SchAusnahmV in der Fassung vom 14.01.2022 enthaltene Verweisung auf die Internetseite des RKI auch nicht hinreichend bestimmt, weil es dem Anwender nicht jederzeit möglich sei, die Rechtslage konkret zu erkennen und sein Verhalten danach auszurichten. Es bestehe stets die Ungewissheit, ob sich die Rechtslage durch eine kurzfristige Änderung der Bestimmungen auf der Internetseite des Robert Koch-Instituts verändert habe, so das VG weiter.

VG Hamburg, Beschluss vom 14.02.2022 - 14 E 414/22

Redaktion beck-aktuell, 15. Februar 2022.