Ein­zel­han­dels­ket­te klagt in Ham­burg er­folg­los gegen 2G-Re­ge­lung

Das Ver­wal­tungs­ge­richt Ham­burg hat ges­tern einen Eil­an­trag einer Ein­zel­han­dels­ket­te ab­ge­lehnt, mit dem sich diese gegen das ver­pflich­ten­de 2G-Zu­gangs­mo­dell in Ham­burg ge­wandt hatte. Die Ein­schrän­kung des Rechts zum Be­tre­ten von In­nen­räu­men von Ver­kaufs­stel­len des Ein­zel­han­dels auf Per­so­nen, die ge­impft oder ge­ne­sen seien, ver­let­ze die An­trag­stel­le­rin nicht in ihrer Be­rufs­frei­heit, heißt es im Be­schluss.

Aus­nah­me von 2G-Re­ge­lung für Ge­schäf­te mit ge­misch­ten Wa­ren­sor­ti­ment

Nach § 13 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 der Co­ro­na­vi­rus-Ein­däm­mungs­ver­ord­nung (VO) in der Fas­sung vom 16.12.2021 gilt in Ver­kaufs­stel­len des Ein­zel­han­dels das 2G-Zu­gangs­mo­dell. Da­nach haben nur ge­impf­te und ge­ne­se­ne Per­so­nen sowie Kin­der bis 15 Jah­ren und Per­so­nen, die sich auf­grund me­di­zi­ni­scher In­di­ka­ti­on nicht imp­fen las­sen kön­nen, Zu­tritt. Aus­ge­nom­men von die­ser Zu­tritts­be­schrän­kung sind nach § 13 Abs. 2 der VO Be­trie­be und Ge­schäf­te der täg­li­chen Ver­sor­gung. Dazu zäh­len unter an­de­rem Le­bens­mit­tel­ge­schäf­te, Apo­the­ken, Dro­ge­ri­en sowie Bau- und Gar­ten­märk­te. Für Ein­rich­tun­gen mit ge­misch­tem Wa­ren­sor­ti­ment gilt das 2G-Zu­gangs­mo­dell nicht, wenn der Schwer­punkt ihres Sor­ti­men­tes in einer der in Ab­satz 2 be­zeich­ne­ten Wa­ren­grup­pen liegt (§ 13 Abs. 3 der VO). Die An­trag­stel­le­rin be­treibt bun­des­weit, dar­un­ter auch in Ham­burg, Ein­zel­han­del im Fi­li­al­be­trieb. Sie ver­treibt Ein­zel­han­dels­pro­duk­te aus einem Misch­sor­ti­ment, dar­un­ter Dro­ge­rie­ar­ti­kel, Schreib- und Spiel­wa­ren, De­ko­ra­ti­ons­ar­ti­kel, Schmuck sowie Bau­markt­ar­ti­kel. 

Be­rufs­frei­heit nicht durch 2G-Regel ver­letzt

Das Ge­richt ent­schied jetzt im Eil­ver­fah­ren, dass die An­trag­stel­le­rin unter den An­wen­dungs­be­reich des ob­li­ga­to­ri­schen 2G-Zu­gangs­mo­dells falle, weil der Schwer­punkt ihres Sor­ti­ments nicht in einer der in § 13 Abs. 2 ge­nann­ten Wa­ren­grup­pen liege. Eine Ad­di­ti­on der An­tei­le ver­schie­de­ner in Ab­satz 2 auf­ge­führ­ter Wa­ren­grup­pen sehe die Ham­bur­ger Re­ge­lung nicht vor. Nach Ein­schät­zung der Kam­mer be­stün­den gegen die be­fris­te­te An­ord­nung des 2-G-Zu­gangs­mo­dells nach der im Eil­ver­fah­ren al­lein mög­li­chen, aber auch aus­rei­chen­den Prü­fung keine durch­grei­fen­den ver­fas­sungs­recht­li­chen Be­den­ken. So ver­let­ze die Ein­schrän­kung des Rechts zum Be­tre­ten von In­nen­räu­men von Ver­kaufs­stel­len des Ein­zel­han­dels auf Per­so­nen, die ge­impft oder ge­ne­sen seien, die An­trag­stel­le­rin nicht in ihrer Be­rufs­frei­heit. In­so­weit schloss sich die Kam­mer der jün­ge­ren Recht­spre­chung des Schles­wig-Hol­stei­ni­schen Ober­ver­wal­tungs­ge­richts an. Zwei­fel an der Er­for­der­lich­keit einer sol­chen Re­ge­lung, wie sie das Nie­der­säch­si­sche Ober­ver­wal­tungs­ge­richt jüngst for­mu­liert hatte, teil­te das Ver­wal­tungs­ge­richt nicht.

VG: Test und FFP2-Maske nicht aus­rei­chend

Es sei weder hin­rei­chend sub­stan­ti­iert vor­ge­tra­gen noch an­ge­sichts der nach wie vor be­stehen­den Un­si­cher­hei­ten hin­sicht­lich der Über­tra­gung des neu­ar­ti­gen Co­ro­na­vi­rus ein­schlie­ß­lich der kürz­lich auf­ge­tre­te­nen Vi­rus­va­ri­an­ten er­sicht­lich, so das VG, dass die ham­bur­gi­sche Ver­ord­nungs­ge­be­rin die Re­ge­lung auf einer un­zu­rei­chen­den Tat­sa­chen­grund­la­ge ge­trof­fen hätte oder dass sie die ihr zur Ver­fü­gung ste­hen­den Er­kennt­nis­se zum Ge­sche­hen in ge­schlos­se­nen Räu­men von Sport- und Frei­zeit­ein­rich­tun­gen un­ge­prüft und un­ver­än­dert auf das In­fek­ti­ons­ge­sche­hen im lo­ka­len Ein­zel­han­del über­tra­gen hätte. Bei der blo­ßen Ver­pflich­tung von un­ge­impf­ten Per­so­nen zur Vor­la­ge eines ne­ga­ti­ven Test­ergeb­nis­ses oder bei der Ver­pflich­tung aller Per­so­nen zum Tra­gen einer FFP2-Maske han­de­le es sich zwar um mil­de­re, je­doch nicht gleich ge­eig­ne­te Maß­nah­men.

Un­ver­hält­nis­mä­ßig­keit und Ver­stoß gegen den Gleich­heits­satz ver­neint

Die Kam­mer be­ton­te zudem, dass sie nicht ver­ken­ne, dass das RKI das vom Ein­zel­han­del aus­ge­hen­de in­di­vi­du­el­le In­fek­ti­ons­ri­si­ko als "nied­rig" er­ach­te. Dies könne al­ler­dings an­ge­sichts des dar­ge­stell­ten ak­tu­el­len In­fek­ti­ons­ge­sche­hens und der mög­li­chen Aus­brei­tung der Co­ro­na-Mu­tan­ten noch nicht zur Un­ver­hält­nis­mä­ßig­keit der streit­ge­gen­ständ­li­chen Re­ge­lung füh­ren, so das VG. Die Ver­pflich­tung der Ein­zel­han­dels­ver­kaufs­stel­len zur Ein­hal­tung der Vor­ga­ben des 2G-Mo­dells ver­sto­ße nach sum­ma­ri­scher Prü­fung auch nicht gegen den Gleich­heits­satz. Es be­stehe ein sach­li­cher Grund für die von dem Ver­ord­nungs­ge­ber vor­ge­nom­me­ne Un­ter­schei­dung zwi­schen Ein­rich­tun­gen und Be­trie­ben der es­sen­ti­el­len und der nicht es­sen­ti­el­len Ver­sor­gung. Das Ab­stel­len auf den Schwer­punkt des Sor­ti­ments bei Misch­be­trie­ben dürf­te eben­falls ein sach­lich nach­voll­zieh­ba­res Ab­gren­zungs­kri­te­ri­um sein.

VG Hamburg, Beschluss vom 21.12.2021 - 21 E 5155/21

Redaktion beck-aktuell, 22. Dezember 2021.