Weil drei Prüfer im Ruhestand sind: Neue Chance für Rechtsreferendar im Zweitversuch
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Für einen Hamburger Rechtsreferendar schien das Examen verloren – auch im Zweitversuch lag er unter dem Strich. Doch drei seiner Klausuren müssen neu bewertet werden, urteilte das VG. Der Grund: Drei Prüfer hatten sich zum Zeitpunkt der Korrektur bereits im Ruhestand befunden.

Ein Hamburger Rechtsreferendar befand sich nach erfolglosem Erstversuch im Dezember 2019 im zweiten und mutmaßlich letzten Anlauf, sein zweites Staatsexamen zu bestehen. Doch auch hier lief es nicht gut: Insgesamt erzielte er in seinen Aufsichtsarbeiten einen Notendurchschnitt von 3,5 Punkten (Zivilrecht: 3, 3 und 2,5 Punkte; Strafrecht: 3,5 und 5 Punkte, öffentliches Recht: 5 und 3 Punkte; ZHG-Klausur: 3 Punkte). Um für die mündliche Prüfung zugelassen zu werden, hätte er nach dem Hamburger Prüfungsrecht einen Durchschnitt von 3,75 Punkten erzielen müssen. Außerdem wären vier Punkte in mindestens vier Aufsichtsarbeiten, von denen eine aus dem Bürgerlichen Recht stammt, erforderlich gewesen. 

Gegen den Prüfungsbescheid aus März 2020 legte der Rechtsreferendar Widerspruch ein. Daraufhin wurde die Bewertung der ersten Aufsichtsarbeit im Strafrecht auf 5 Punkte (ausreichend) angehoben – im Übrigen hatte der Widerspruch keinen Erfolg. Mit Klage zum VG Hamburg verlangte der Prüfling eine Neubewertung von vier seiner Aufsichtsarbeiten und hatte tatsächlich teilweise Erfolg (Urteil vom 27.02.2025 – 2 K 3576/21).

Dürfen pensionierte Richter prüfen?

Im Wesentlichen rügte der Referendar, dass drei seiner Klausuren von aus dem aktiven Dienst ausgeschiedenen Richterinnen und Richtern bewertet worden waren, die seiner Ansicht nach nicht mehr als Prüferinnen und Prüfer hätten eingesetzt werden dürfen. Zuvor waren sie durch das Prüfungsamt trotz ihrer Pensionierung erneut bestellt worden.

Darüber hinaus machte der Kandidat geltend, der Erstprüfer einer Zivilrechtsklausur, ein Rechtsanwalt, sei mit dem Schwerpunkt der erbrechtlichen Klausur nicht "besonders vertraut" und damit fachlich nicht hinreichend qualifiziert gewesen. Der Prüfling argumentierte in seiner Klage außerdem, dass zwei seiner Prüferinnen und Prüfer jeweils mehr als eine seiner Klausuren korrigiert hätten. Dadurch bestehe die Gefahr, dass sie mangelhaft bewertete Leistungen im jeweils anderen Fach zu seinen Lasten würdigen könnten. Das VG Hamburg hielt die Anfechtungsklage zumindest teilweise für begründet.

Pensionierte Prüfer: "Altersbedingtes Nachlassen der körperlichen und geistigen Fähigkeiten"

Die pensionierten Prüferinnen und Prüfer seien nicht ordnungsgemäß bestellt worden, befand das Gericht in seiner Entscheidung. Die drei betroffenen Voten der Aufsichtsarbeiten ZR I, ZR III und ÖR II hätten deswegen nicht in die Bewertung einfließen dürfen, sodass im Ergebnis drei neue Zweitgutachten erstellt werden müssten.

Sofern – wie hier – die Mitgliedschaft im Prüfungsamt durch Eintritt in den Ruhestand endet, bedarf es nach Auffassung der für das Prüfungsrecht zuständigen 2. Kammer des VG Hamburg einer gesonderten Einzelfallentscheidung, um diese Mitgliedschaft zu verlängern. Und genau daran fehle es hier.

Die Prüferbestellung, bzw. deren Verlängerung müsse individuell geprüft und begründet werden. Das gebiete auch der Sinn und Zweck von § 2 Abs. 5 S. 2 der einschlägigen Prüfungsordnung. "Die Prüferqualifikation nach dem Ausscheiden aus dem aktiven Berufsleben setzt nach Sinn und Zweck für Prüfer und Prüferinnen aller Berufsgruppen zum einen eine zeitliche Nähe zum Beruf oder zu anderen juristischen Tätigkeiten voraus, um die inhaltlichen Fragen noch kompetent beurteilen zu können", so das VG. "Zum anderen lassen körperliche und geistige Fähigkeiten altersbedingt regelmäßig nach, was einen weiteren Beweggrund des Normgebers für die vorgesehene Einzelfallentscheidung zum Zeitpunkt des Endes der beruflichen Laufbahn darstellt."

Das formlose Schreiben, mit dem das Prüfungsamt die Prüfertätigkeit der betreffenden Personen verlängert hatte, genüge diesen Anforderungen nicht. Die bloße Zuordnung der Prüferinnen und Prüfer zu den Aufsichtsarbeiten und die Übersendung der Klausuren mit der Bitte um Korrektur könne ebenfalls nicht als inhaltlich geprüfte Verlängerungsentscheidung angesehen werden. Insbesondere deswegen, weil das Justizprüfungsamt selbst eine solche Verlängerungsentscheidung für entbehrlich gehalten habe. Im Fall des dritten Prüfers gab es sogar nicht einmal eine originäre Prüferbestellung, die vor der Pensionierung begann und danach hätte verlängert werden können.

Nicht nur Erbrechtler dürfen Erbrechtsklausur korrigieren

Im Hinblick auf den Anwalt, der die Klausur im Erbrecht korrigiert hatte, scheiterte der Kandidat jedoch mit seinen Einwendungen. Das Prüfungsrecht regele zwar, dass die Prüferinnen und Prüfer mit dem Schwerpunkt der Klausur "besonders vertraut" sein müssen, darunter sei aber nur das jeweilige Rechtsgebiet (Bürgerliches Recht, Strafrecht, Öffentliches Recht) zu verstehen. Auf eine besondere Kenntnis des jeweiligen Schwerpunktthemas der Klausur komme es hingegen nicht an. Als Rechtsanwalt mit einer nicht spezialisierten Kanzlei habe der Prüfer sich zwangsläufig mit zivilrechtlichen Fragestellungen befasst, was laut VG Hamburg für eine Bestellung zum Prüfer in der Klausur ausreiche.

Auch mit der Einwendung, dass zwei Prüferinnen und Prüfer mehr als einmal bei der Korrektur seiner Aufsichtsarbeiten eingesetzt worden seien, drang der Referendar vor Gericht nicht durch. Es fehle bereits an den objektiven Anhaltspunkten für eine mögliche Voreingenommenheit der betreffenden Personen. Mit einigen inhaltlichen Bewertungsrügen bezüglich der einzelnen Klausuren drang der Kandidat ebenfalls insgesamt nicht durch.

Nach der VG-Entscheidung darf er jedoch auf eine neue Chance auf das zweite Staatsexamen hoffen.

VG Hamburg, Urteil vom 27.02.2025 - 2 K 3576/21

Redaktion beck-aktuell, jss, 11. August 2025.

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