Landkreis rief zu Protest gegen NPD-Veranstaltung auf
Der Landkreis Göttingen veröffentlichte auf seiner Homepage am 20.08.2018 eine Pressemitteilung mit dem Titel "Interfraktioneller Antrag beschlossen Solidarisch gegen sogenannten Eichsfeldtag", die einen Aufruf zum Protest gegen eine NPD-Veranstaltung enthielt. Darin hieß es: "Der Kreisausschuss ruft nach einem Beschluss in der letzten Sitzung die Einwohnerinnen und Einwohner des Landkreises Göttingen auf, sich an den Protestaktionen gegen den Eichsfeldtag der NPD am 01.09.2018 in Leinefelde zu beteiligen. Mit einem überparteilichen Antrag haben sich die Gruppe SPD/Die Grünen/FWLG, die Gruppe Die Linke/Piraten/Partei sowie die Fraktionen von CDU und FDP dazu geäußert: Leinefelde liegt keine 35 Kilometer Luftlinie und keine Stunde Fahrzeit von Göttingen entfernt. Mit Bedauern stellen wir fest, dass jetzt rechtsextreme Kreise wieder umfangreich mobilisieren und versuchen, diese rechtsextreme Veranstaltung als familienfreundliches Event zu tarnen. Wir dürfen nicht zulassen, dass diese gewaltbereite rechtsextreme Szene wieder in unserer Region stärker Fuß fasst! Der Kreisausschuss des Landkreises Göttingen bittet daher seine Einwohnerinnen und Einwohner, das örtliche Bündnis bei den Protestaktionen gegen diese Veranstaltung zu unterstützen."
NPD: Protestaufruf verletzt politische Neutralitätspflicht
Dagegen beantragte der NPD-Kreisverband Eichsfeld nach erfolgloser Abmahnung des Landkreises vor Gericht vorläufigen Rechtsschutz. Er begehrte, den Landkreis Göttingen im Wege einer einstweiligen Anordnung zur Entfernung jener beiden Passagen von der Homepage zu verpflichten, in denen zum Protest aufgerufen und um Unterstützung bei den Protestaktionen gebeten wird. Zur Begründung machte die NPD im Wesentlichen geltend, der Landkreis verletze seine politische Neutralitätspflicht und missbrauche seine Veröffentlichungsmöglichkeiten.
VG: Keine Verbandskompetenz für Aufruf
Das VG hat dem Antrag stattgegeben. Zur Begründung gab es im Wesentlichen an, dem Landkreis Göttingen fehle die Verbandskompetenz für einen solchen Aufruf. Für einen politischen Aufruf zu einem Sachverhalt, der den Landkreis nicht in seinem eigenen, örtlichen Wirkungskreis betreffe, sei der Landkreis nicht zuständig.
Staatliches Neutralitätsgebot verletzt
Außerdem sah das Gericht einen Verstoß gegen das staatliche Neutralitätsgebot gegenüber politischen Parteien gegeben, das auch gegenüber einem Kreisverband der NPD gelte. Zwar habe das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 17.01.2017 (BeckRS 2017, 100243) festgestellt, dass die NPD die Grundprinzipien missachte, die für den freiheitlichen demokratischen Verfassungsstaat unverzichtbar seien. Wie das BVerfG aber ebenfalls ausgeführt habe, sei bis zur Feststellung der Verfassungswidrigkeit durch das BVerfG ein administratives Einschreiten gegen den Bestand einer politischen Partei schlechthin ausgeschlossen, möge diese sich gegenüber der freiheitlichen demokratischen Grundordnung auch noch so feindlich verhalten. Die Partei dürfe zwar politisch bekämpft werden, solle aber in ihrer politischen Aktivität von jeder Behinderung frei sein.
Kreisausschussmitglieder können außerhalb ihres öffentlichen Amtes protestieren
Abschließend wies das VG darauf hin, dass die im Kreisausschuss des Landkreises Göttingen vertretenen Politiker durch das Neutralitätsgebot nicht darin beschränkt seien, sich außerhalb ihres öffentlichen Amtes gegen die geplante Versammlung der Antragsgegnerin zu engagieren.