Emeritierter Professor hat kein Recht auf uneingeschränkte Bibliotheksnutzung

Ein emeritierter Professor hat weder einen Anspruch auf uneingeschränkte Bibliotheksnutzung noch auf Zurverfügungstellung eines bestimmten Raumes zur Durchführung einer Lehrveranstaltung. Das entschied kürzlich die Vierte Kammer des Verwaltungsgerichts Göttingen und wies eine diesbezügliche Klage eines Emeritus unter Hinweis auf die Institutsordnung, einschlägige Benutzungsrichtlinien sowie das Grundgesetz ab.

Streit um Bibliothek und Seminarraum

Der Kläger, ein emeritierter Professor, begehrt die uneingeschränkte Nutzung einer bestimmten Abteilungsbibliothek. Diese Bibliothek gehört zu der Abteilung, der er als aktiver Professor zugeordnet war. Nach seiner Emeritierung nutzte er diese Bibliothek zunächst unter Verwendung eines Generalschlüssels weiter. Infolge von Streitigkeiten zwischen ihm und einer seiner Nachfolgerinnen einigte sich der Kläger mit dieser unter anderem darauf, die streitbefangene Bibliothek nur noch zu den regulären Öffnungszeiten zu nutzen. Im Jahr 2020 versuchte er aber dennoch, von der beklagten Universität ein uneingeschränktes Nutzungsrecht zu erhalten. Darüber hinaus wollte der Kläger einen bestimmten Seminarraum für die Abhaltung von Lehrveranstaltungen nutzen. Diesen erhielt er jedoch nicht, sondern wurde von der Beklagten auf andere Räumlichkeiten verwiesen.

Emeritus beklagt Sanktionierung

Der Professor machte mit seiner Klageerhebung geltend, er werde durch den Verweis auf die Öffnungszeiten der Bibliothek und die Verweigerung des gewünschten Seminarraums in seinem Grundrecht auf Wissenschaftsfreiheit verletzt. Ein Hochschullehrer sei mit seiner Emeritierung zwar von den Pflichten seines Amtes entbunden, bleibe aber Angehöriger der Hochschule und dürfe zum Zweck der Forschung weiterhin Hochschuleinrichtungen benutzen und Lehrveranstaltungen durchführen. Dies bedeute, dass der Emeritus lediglich entpflichtet, jedoch nicht entrechtet sei. Das Verbot der uneingeschränkten Nutzung der Bibliothek und die Verweigerung des gewünschten Seminarraums stellten eine Sanktionierung seitens der beklagten Universität dar.

Universität hält dagegen

Die beklagte Universität meint, der Kläger müsse als Angehöriger der Hochschule die Benutzungsordnung und die Öffnungszeiten der Abteilungsbibliothek beachten. Außerhalb dieser Öffnungszeiten könnten lediglich die der Abteilung zugeordneten aktiven Hochschullehrerinnen und Hochschullehrer einschließlich ihrer Beschäftigten die Bibliothek nutzen. Zudem seien die aktiven Hochschullehrerinnen und Hochschullehrer im Gegensatz zum Kläger zur Erfüllung der Aufgaben der Abteilung in Forschung und Lehre verpflichtet. Es gebe auch keine Verwaltungspraxis, nach der emeritierte Professorinnen und Professoren ein uneingeschränktes Zutrittsrecht hätten. Darüber hinaus habe der Kläger keinen Anspruch darauf, dass ihm für seine Lehrveranstaltungen der jeweils gewünschte Raum zur Verfügung gestellt werde. Auch aktive Hochschullehrerinnen und Hochschullehrer hätten keinen Anspruch darauf, einen bestimmten Raum für eine Lehrveranstaltung zu nutzen. 

Wissenschaftsfreiheit hilft Emeritus nicht weiter

Das VG folgt der Ansicht der Beklagten. Ein Anspruch des Klägers auf uneingeschränkte Nutzung der Abteilungsbibliothek ergebe sich weder aus der Institutsordnung noch aus den einschlägigen Benutzungsrichtlinien der Beklagten. Ein solcher Anspruch ergebe sich auch nicht aus der grundrechtlich geschützten Wissenschaftsfreiheit gemäß Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG unter Berücksichtigung der besonderen Stellung als Emeritus. Hieraus könne der Kläger zwar einen Teilhabeanspruch im Bereich des mit öffentlichen Mitteln unterhaltenen Wissenschaftsbetriebs herleiten, so das VG: Dieser umfasse jedoch lediglich eine Grundausstattung, die zum Schutz seines grundrechtlich gesicherten Freiheitsraums unerlässlich sei, solange keine willkürliche Benachteiligung festzustellen sei.

Keine willkürliche Benachteiligung

Dieser Teilhabeanspruch des Klägers werde auch nicht dadurch verletzt, dass er für die Nutzung der Bibliothek auf die Öffnungszeiten sowie die Professoren- und Wochenendausleihe verwiesen werde. Denn hierdurch werde ihm eine Ausstattung zur Verfügung gestellt, durch die seine wissenschaftliche Betätigung möglich sei. Auch im Hinblick auf die Nutzungsmöglichkeiten der aktiven Hochschullehrerinnen beziehungsweise Hochschullehrer und ihrer Beschäftigten sei keine willkürliche Benachteiligung zu erkennen. Denn die weitreichenderen Nutzungsmöglichkeiten der genannten Gruppe seien sachlich schon dadurch gerechtfertigt, dass die Diensträume des Lehrstuhls zum Teil in die Abteilungsbibliothek integriert seien und der Zugang zu den Arbeitszimmern auch außerhalb der Öffnungszeiten der Bibliothek gewährleistet sein müsse.

Keine Verletzung des Gleichheitssatzes

Nichts anderes ergebe sich unter Berücksichtigung des Gleichheitssatzes aus Art. 3 Abs. 1 GG, weil in Bezug auf die aktiven Hochschullehrerinnen und Hochschullehrer schon kein vergleichbarer Sachverhalt vorliege. Andere entpflichtete Professorinnen und Professoren erhielten dagegen ebenfalls kein uneingeschränktes Zugangsrecht. Entsprechendes gelte für den vom Kläger begehrten Seminarraum zur Durchführung von Lehrveranstaltungen. Dem auch insofern lediglich bestehenden Teilhabeanspruch werde bereits dadurch genügt, dass dem Kläger überhaupt geeignete Räumlichkeiten zur Verfügung gestellt werden. Die bei der Beklagten auch für aktive Hochschullehrerinnen und Hochschullehrer geltende Praxis der zentralen Verteilung von Räumlichkeiten auf die Lehrenden sei sachlich gerechtfertigt, weil hiermit die optimale Ressourcennutzung gefördert werden könne, so das Gericht.

VG Göttingen, Urteil vom 03.11.2022 - 4 A 191/20

Gitta Kharraz, 16. November 2022.