VG Gießen: Verwaltungsmitarbeiter dürfen abschließender Beratung und Beschlussfassung des Kreisausschusses nicht beiwohnen

Die Anwesenheit von Mitarbeitern der Verwaltung während der abschließenden Beratung und Beschlussfassung des Kreisausschusses verletzt den Grundsatz der Nichtöffentlichkeit der Beratungen des Kreisausschusses. Dies hat das Verwaltungsgericht Gießen in einem Eilverfahren entschieden (Beschluss vom 01.02.2017, Az.: 8 L 3591/16.GI, nicht rechtskräftig).

VG untersagt Teilnahme von Bediensteten der Kreisverwaltung als Zuhörer

Mit der einstweiligen Anordnung hat das VG Gießen es dem Kreisausschuss und der Landrätin des Kreises Marburg-Biedenkopf untersagt, mit Ausnahme des gewählten Schriftführers und im Vertretungsfall seines Stellvertreters in den nichtöffentlichen Sitzungen des Kreisausschusses Bedienstete der Kreisverwaltung über die zeitliche Dauer ihres Sachvortrags zu einzelnen Tagesordnungspunkten und über die Klärung von Rückfragen hierzu hinaus an den Beratungen und Abstimmungen als Zuhörer teilnehmen zu lassen. Die gerichtliche Entscheidung erging auf Antrag eines Kreisausschussmitglieds, das sich an der bisherigen Praxis (Teilnahme weiterer Personen) gestört hatte.

Sitzungen des Kreisausschusses als Verwaltungsorgan nicht öffentlich

Während die Sitzungen des Kreistages (der Gemeindevertretung) nach den Vorschriften der Hessischen Gemeindeordnung grundsätzlich öffentlich seien, habe der Gesetzgeber bestimmt, dass der Kreisausschuss (der Gemeindevorstand) seine Beschlüsse in Sitzungen fasse, die nicht öffentlich sind, erläutert das VG Gießen. Der Grundsatz der Öffentlichkeit der Sitzungen des Kreistages als Organ der politischen Willensbildung wurzele im Demokratieprinzip, gewährleiste Transparenz und eine allgemeine Kontrolle der wichtigsten Entscheidungen in der Kommune. Dieser Kontrolle bedürfe der Kreisausschuss nicht, da er Verwaltungsorgan sei, unter anderem sei ihm die Aufgabe zugewiesen, nicht nur nach den Beschlüssen des Kreistages die laufende Verwaltung zu besorgen, sondern auch dessen Beschlüsse vorzubereiten.

Kreisausschuss-Mitglieder sollen frei diskutieren können

Die Mitglieder des Kreisausschusses sollten ohne äußere Einflüsse frei diskutieren können. Zwar dürften Mitarbeiter der Verwaltung zu den Sitzungen des Kreisausschusses zur Erläuterung von Vorlagen und Beantwortung von Fragen hierzu hinzugezogen werden, während der anschließenden Beratung und Beschlussfassung müssten sie jedoch den Raum verlassen. Andernfalls sei durch ihre Anwesenheit dem einzelnen Mitglied des Kreisausschusses die Freiheit genommen, seine Meinung unbefangen, gegebenenfalls auch überspitzt oder polemisch zu äußern.

Hauptsacheverfahren noch zu führen

Die vom VG Gießen getroffene vorläufige Regelung ist zeitlich befristet. Das Gericht hat dem Mitglied des Kreisausschusses, das die einstweilige Anordnung beantragt hatte, aufgegeben, binnen eines Monats nach Rechtskraft des Beschlusses Klage zur Hauptsache zu erheben. Die Entscheidung des VG ist zudem noch nicht rechtskräftig. Die Beteiligten können dagegen binnen zwei Wochen Beschwerde beim Hessischen Verwaltungsgerichtshof in Kassel einlegen.

VG Gießen, Beschluss vom 01.02.2017 - 8 L 3591/16

Redaktion beck-aktuell, 6. Februar 2017.

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