VG Gießen: Kandidatur für NPD begründet waffenrechtliche Unzuverlässigkeit

Wer für die NPD kandidiert, ist als waffenrechtlich unzuverlässig anzusehen. Mit dieser Begründung hat das Verwaltungsgericht Gießen in einem Eilverfahren die Entscheidung des Landrates des Wetteraukreises bestätigt, einem im Kommunalwahlkampf für die NPD angetretenen Kandidaten mit sofortiger Wirkung die waffenrechtlichen Erlaubnisse (Waffenbesitzkarten, kleiner Waffenschein, Waffenhandelserlaubnis und sprengstoffrechtliche Erlaubnis) zu entziehen (Beschluss vom 05.07.2018, Az.: 9 L 1982/18.GI, nicht rechtskräftig).

Antragsteller: Kandidatur war nur Gefälligkeit

Gestützt hatte der Landrat die Entziehung der waffenrechtlichen Erlaubnisse auf eine Vorschrift des Waffengesetzes, wonach Personen, bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie einzeln oder als Mitglied einer Vereinigung Bestrebungen verfolgen oder unterstützen oder in den letzten fünf Jahren verfolgt oder unterstützt haben, die gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung, insbesondere gegen das friedliche Zusammenleben der Völker, gerichtet sind, als unzuverlässig anzusehen sind (§ 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG). Der Antragsteller hatte eingewandt, er sei seit 2009 nicht mehr Mitglied in der NPD und habe nur aus einem persönlichen Gefallen auf einem aussichtslosen Listenplatz kandidiert.

VG schreibt NPD verfassungsfeindliche Bestrebungen zu

Das VG hat nun entschieden, dass die Kandidatur des Antragstellers für die NPD bei der Kommunalwahl 2016 ein Umstand ist, der die Annahme rechtfertigt, dass er die verfassungsfeindlichen Bestrebungen der NPD als Einzelner aktiv unterstützt habe. Auch wenn die NPD als Partei vom Bundesverfassungsgericht nicht für verfassungswidrig erklärt worden sei, sei hier maßgeblich, dass die Ziele, die sie verfolge und die er unterstützt habe, verfassungsfeindlich seien. Auch das BVerfG habe in seinem Urteil vom 17.01.2017 (NJW 2017, 611) festgestellt, dass die Ziele der NPD und das Verhalten ihrer Anhänger gegen die Menschenwürde und den Kern des Demokratieprinzips verstoßen und Elemente der Wesensverwandtschaft mit dem historischen Nationalsozialismus aufweisen. Die Programmatik der NPD sei danach auf die Beseitigung der freiheitlich demokratischen Grundordnung gerichtet.

Kandidatur als aktive Handlung zur Unterstützung der NPD

Als Unterstützungshandlung im waffenrechtlich relevanten Sinne seien solche Betätigungen anzusehen, bei denen jemand für die Vereinigung nach außen erkennbar Funktionen wahrnehme und dadurch in der Öffentlichkeit zu erkennen gebe, dass er hinter ihren verfassungsfeindlichen Bestrebungen stehe und diese mittragen wolle. Aufgrund der großen Bedeutung der Besetzung von Mandaten auf verschiedenen politischen Ebenen für die Existenz und Beständigkeit einer Partei könne die Kandidatur des Antragstellers daher als aktive Unterstützungshandlung der NPD im waffenrechtlichen Sinne eingeordnet werden.

Formelle Parteimitgliedschaft nicht erforderlich

Als Kandidat müsse sich der Antragsteller die verfassungsreinliche Programmatik und Zielsetzung der NPD auch ohne formelle Parteimitgliedschaft zurechnen lassen. Schließlich sei es auch ohne formelle Parteimitgliedschaft möglich, bei einer Wahl Stimmen für die entsprechende Partei zu akquirieren. Darüber hinaus könne angesichts der bei hessischen Kommunalwahlen vorgesehenen Möglichkeit des Kumulierens und Panaschierens eine erfolgreiche Kandidatur auch bei schlechter Listenplatzierung nie gänzlich ausgeschlossen werden.

Verfassungsrechtliches Parteienprivileg hilft Antragsteller nicht weiter

Auf das verfassungsrechtliche Parteienprivileg könne sich der Antragsteller vorliegend nicht berufen. Zwar dürften – weil die NPD als politische Partei nicht verboten sei – die politischen Aktivitäten dieser Partei oder ihrer Anhänger und Mitglieder nicht behindert werden. Demgegenüber beeinträchtige die Annahme der waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit eines Parteimitglieds oder Anhängers der NPD nach § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG die von Art. 21 GG geschützte Mitwirkung der Parteien an der politischen Willensbildung nicht in rechtserheblicher Weise. Die vorliegend einschlägige waffenrechtliche Norm gelte – ähnlich wie die geltenden Strafgesetze – nicht nur für NPD-Anhänger, sondern beanspruche Geltung gegenüber allen Bürgern.

Beschwerde eingelegt

Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig. Die Beteiligten können dagegen Beschwerde beim Hessischen Verwaltungsgerichtshof in Kassel einlegen. Wie das VG mitteilt, ist eine Beschwerde bereits eingelegt worden.

VG Gießen, Beschluss vom 05.07.2018 - 9 L 1982/18

Redaktion beck-aktuell, 13. Juli 2018.