Aluhut-Alarm: Suche nach "EMW-Terroristen" kein Grund für Begutachtung
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Nach Ansicht des VG Gießen sind allein abwegige Äußerungen eines Autofahrers kein Anlass für die Anordnung eines Gutachtens zur Überprüfung seiner Fahreignung. Das Gericht gab einem Mann seinen Führerschein zurück, der auf seiner Suche nach "EMW-Terroristen" Aluhut und Bleiweste dabei hatte.

Der Anruf eines besorgten Anwohners löste den Polizeieinsatz aus, der zum Streit um die Entziehung einer Fahrerlaubnis führte. Der Nachbar hatte angegeben, gegen 22.00 Uhr eine Person gesehen zu haben, die aus einem weißen Transporter ausgestiegen und durch Gärten gelaufen sei und sich vor jedem vorbeifahrenden Wagen versteckt habe. Die Streife traf vor Ort einen Mann, der in seinem Wagen saß. Dieser erklärte den Beamten, dass er auf der Suche nach "Elektro Magnetische Wellen Terroristen" sei. Im Wagen fanden die Polizisten eine mit Alufolie umwickelte Bleischale und eine Bleiweste, den "EMW-Schutz" des Fahrers.

Nur derjenige, so schrieb er dem Landkreis später, der einmal eine EMW-Attacke persönlich erlebt und überlebt habe, ahne, wovon er spreche. Dies traf auf den Sachbearbeiter wohl nicht zu, jedenfalls ordnete die Führerscheinstelle eine Begutachtung seiner Fahreignung an. Dabei spielte auch eine Rolle, dass er der Polizei auf die Frage, in welchem Ort er sich befinde, die Nachbarstadt genannt hatte und die Streife von erheblichen Fahrunsicherheiten auf dem Heimweg berichtete – sie waren ihm zur Sicherheit hinterhergefahren.

Da der Autofahrer kein Gutachten eines Facharztes für Psychiatrie vorlegte, entzog die Behörde ihm die Fahrerlaubnis und ordnete die sofortige Vollziehung an. Das Verwaltungsgericht Gießen gab bereits seinem Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz statt und hat mit am Mittwoch veröffentlichtem Urteil die Entziehung der Fahrerlaubnis aufgehoben (Urteil vom 24.08.2023 – 6 K 2554/22.GI).

Keine Grundlage für eine Begutachtung

Der Schluss vom fehlenden Gutachten auf die fehlende Fahreignung gemäß § 11 Abs. 8 FeV verbiete sich hier, da die Anordnung, sich untersuchen zu lassen, rechtswidrig gewesen sei. Schon im Verfahren um die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung hatten die Richterinnen der Fahrerlaubnisbehörde vorgehalten, dass ihre Untersuchungsanordnung zu unbestimmt sei. Außerdem fehle es an einer tragfähigen Grundlage für die Annahme, es könne eine psychische Erkrankung vorliegen. Dem schloss sich die jetzt zuständige Einzelrichterin an: Die Äußerungen seien zwar abwegig, ließen aber nicht den Schluss zu, dass der Autofahrer (nach eigener Beschreibung Computer-Experte für digitale Intelligenz) verwirrt sei. Die Fahrauffälligkeiten habe er zum Teil bestritten (er sei nicht mehrfach in den Gegenverkehr geraten), und zum Teil ließen sie sich durch die ungewohnte Polizeikontrolle sowie das Hinterherfahren erklären, die ihn verunsichert hätten.

Die Berufung gegen ihr Urteil ließ sie allerdings zu: Der Verwaltungsgerichtshof Kassel hatte zwischenzeitlich weniger Verständnis für die Sorgen des Manns gezeigt und erneut für die sofortige Vollziehbarkeit der Entziehung gesorgt. Dabei hob der VGH einen Umstand, dem das VG keine tiefere Bedeutung beigemessen hatte, besonders hervor: Auch wenn zwischen dem Ort des Geschehens und dem Wohnort des Kontrollierten wenige Kilometer lagen, hätte man davon ausgehen dürfen, dass bekannt ist, in welcher Gemeinde man sich gerade befindet.

VG Gießen, Urteil vom 24.08.2023 - 6 K 2554/22

Redaktion beck-aktuell, Michael Dollmann, 2. November 2023.