VG Gelsenkirchen setzt im Fall Sami A. Zwangsgeld gegen Stadt Bochum fest

Im Streit um die Abschiebung des tunesischen Staatsangehörigen Sami A. hat das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen mit Beschlüssen vom 03.08.2018 (Az.: 8 L 1412/18 und 8 M 80/18) das zuvor angedrohte Zwangsgeld gegen die Stadt Bochum in Höhe von 10.000 Euro festgesetzt und ein weiteres Zwangsgeld in gleicher Höhe angedroht. Durch die Maßnahmen soll der Druck auf die Stadt Bochum erhöht werden, den abgeschobenen Tunesier nach Deutschland zurückzuholen. Dieser mit Gerichtsbeschluss vom 13.07.2018 (BeckRS 2018, 15613) angeordneten Verpflichtung ist sie bisher nicht nachgekommen; über die Beschwerde gegen diesen Beschluss hat das Oberverwaltungsgericht allerdings noch nicht entschieden.

Berufung auf Unmöglichkeit der Rückholung reicht nicht aus

In seinen jetzt ergangenen Entscheidungen wies das VG darauf hin, dass sich die Stadt auch weiterhin, wie bereits in dem Beschluss des OVG vom 31.07.2018 (Az.: 17 B 1094/18) festgestellt worden sei, nicht auf eine tatsächliche oder rechtliche Unmöglichkeit der Rückholung des tunesischen Staatsangehörigen in die Bundesrepublik Deutschland berufen könne. Insbesondere fehle es auch weiterhin an hinreichenden Ermittlungen zur Bereitschaft Tunesiens, an der Rückführung mitzuwirken.

Ausreisemöglichkeit unklar

Die nach Angaben der Stadt Bochum erstmals am 01.08.2018 auf den Weg gebrachte diplomatische Anfrage an die tunesischen Behörden sei nach eigenem Vortrag bisher nur an die Deutsche Botschaft in Tunis weitergeleitet worden. Ob der tunesische Staatsangehörige Sami A. aus Tunesien ausreisen könne, ohne im Besitz eines Reisepasses zu sein, sei zur Zeit ebenfalls völlig offen. Wie die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung berichtete, gibt es in Tunesien kein Ausreiseverbot gegen den mutmaßlichen Ex-Leibwächter von Al-Kaida-Chef Osama bin Laden. "Der zuständige Ermittlungsrichter hat mir im persönlichen Gespräch gesagt, dass Sami A. ausreisen dürfte", bestätigte dessen Anwältin Seda Basay-Yildiz der Deutschen Presse-Agentur. Dem widersprach jedoch der Sprecher der für Terrorismus zuständigen Staatsanwaltschaft in Tunesien, Sofiane Sliti. Es werde weiter gegen den aus Deutschland abgeschobenen Gefährder ermittelt und er müsse in Tunesien bleiben.

Beschwerde hat aufschiebende Wirkung

Das VG gab ferner dem weiteren Antrag der Prozessbevollmächtigten des Tunesiers auf Androhung eines weiteren Zwangsgeldes in Höhe von 10.000 Euro statt. Nach § 172 VwGO kann ein Zwangsgeld auf Antrag wiederholt angedroht, festgesetzt und vollstreckt werden. Gegen die Entscheidungen kann Beschwerde zum OVG Münster eingelegt werden. Die Beschwerde gegen die Festsetzung des Zwangsgeldes hat aufschiebende Wirkung.

BAMF beantragt Abänderung des Beschlusses

Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) hat unterdessen am 03.08.2018 die Abänderung des Beschlusses des VG Gelsenkirchen vom 12.07.2018 (BeckRS 2018, 15452) beantragt. In diesem Beschluss hatte das Gericht entschieden, dass das für den Tunesier festgestellte Abschiebungsverbot vorläufig wirksam bleibt und eine Abschiebung nicht erfolgen darf. Ein Zeitpunkt, wann über diesen Antrag entschieden wird, steht noch nicht fest. Nach § 80 Absatz 7 VwGO kann ein Beteiligter die Änderung einer (unanfechtbaren) Entscheidung bei Vorliegen veränderter Umstände geltend machen.

Hintergrund

Die Abschiebung ist zum Politikum geworden. Der mutmaßliche Ex-Leibwächter des 2011 getöteten bin Laden war am 13.07.2018 aus Deutschland abgeschoben worden. Ein Gericht in Gelsenkirchen hatte am Abend zuvor entschieden, dass dies wegen Foltergefahr in Tunesien nicht zulässig sei - der Beschluss wurde aber erst übermittelt, als die Chartermaschine in der Luft war.

VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 03.08.2018 - 8 L 1412/18

Redaktion beck-aktuell, 6. August 2018.