Nach Vorlage einer Verbalnote der Botschaft Tunesiens hat das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen im Fall des Islamisten Sami A auf Antrag des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge seine im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes getroffene Entscheidung vom 12.07.2018 (in BeckRS 2018, 15452) aufgrund neuer tatsächlicher Umstände geändert. Somit besteht vorerst bis zur abschließenden Entscheidung im Hauptsacheverfahren kein wirksames Abschiebungsverbot nach Tunesien. Das Gericht bestätigte damit den vom Bundesamt am 20.06.2018 verfügten Widerruf des für den Tunesier ausgesprochenen Abschiebungsverbotes (Beschluss vom 21.11.2018, Az.: 7a L 1947/18.A).
Gefahr der Folter nicht mehr "beachtlich wahrscheinlich"
Das Gericht hält die Gefahr der Folter und der unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung des Tunesiers durch seinen Heimatstaat nach der nunmehr vom Bundesamt vorgelegten Verbalnote der tunesischen Botschaft in Berlin vom 29.10.2018 für nicht mehr beachtlich wahrscheinlich. Die diplomatische Zusicherung erfülle die von der Rechtsprechung an derartige Erklärungen gestellten Anforderungen und sei ein geeignetes Instrument, die Gefahr einer der Europäischen Menschenrechtskonvention widersprechenden Behandlung in hinreichendem Maß auszuräumen.
Zusicherung hinreichend verlässlich
Die Zusicherung sei individuell auf den Tunesier bezogen und auch inhaltlich ausreichend bestimmt, heißt es im Beschluss weiter. Sie sichere für den Antragsteller die tatsächliche Anwendung der in Tunesien für Gerichtsverfahren bzw. für Inhaftierungen geltenden Schutzbestimmungen zu, die das Verbot von Folter und die Beachtung der Regeln für menschenrechtskonforme Behandlung beinhalten würden. Die Erklärung der tunesischen Botschaft sei angesichts des vorangegangenen intensiven Austausches auf höchster politischer und diplomatischer Ebene und des Interesses Tunesiens an einer unbelasteten Beziehung zur Bundesrepublik hinreichend verlässlich.
Von Sami A. behauptete Folter nicht glaubhaft
Zudem förderten das mediale Interesse, seine daraus ableitbare Bekanntheit und die politische Brisanz des Falles in besonderem Maße die tatsächliche Einhaltung der Zusicherung durch die tunesischen Behörden. Den Vortrag von Sami A. über nach seiner Abschiebung in Tunesien erlittene Folter bzw. unmenschliche Behandlung hat das Gericht als nicht glaubhaft bewertet.
VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 21.11.2018 - 7a L 1947/18.A
Redaktion beck-aktuell, 22. November 2018.
Aus der Datenbank beck-online
OVG Münster, Verpflichtung zur Rückholung eines abgeschobenen Ausländers – Fall Sami A., NVwZ 2018, 1493
VG Gelsenkirchen, Migration, unmenschliche Behandlung, Terrororganisation, Gefahrenprognose, Menschenrechtslage, vorläufiger Rechtsschutz, BeckRS 2018, 15452
VG Gelsenkirchen, Asylverfahren, nationales Abschiebungsverbot, Flüchtlingseigenschaft, subsidiärer Schutzstatus, tunesische Staatsangehörigkeit, BeckRS 2016, 47269
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